Ton Koopman
In seiner nunmehr 60-jährigen Karriere hat sich der am 2. Oktober 1944 im niederländischen Zwolle geborene Ton Koopman zu einer unbestrittenen Autorität für die historische Aufführungspraxis im Allgemeinen und das Werk Bachs im Besonderen entwickelt. Er ist der wichtigste noch lebende Pionier im Bereich der historischen Aufführungspraxis, die in den 1960ern und 1970ern nur eine Nische des klassischen Musikbetriebs war, bis nicht zuletzt das 1979 von Ton Koopman ins Leben gerufene Amsterdam Baroque Orchestra einen Umschwung bewirkte. Mit diesem Orchester sowie dem 1992 gegründeten Amsterdam Baroque Choir hatte Koopman viel Einfluss darauf, wie etwa die Musik von Johann Sebastian Bach heute aufgeführt und wahrgenommen wird.
Koopmans große Liebe für Bach war schon früh erwacht. Und sie blieb, als er nach dem Abitur in Amsterdam Orgel, Cembalo und Musikwissenschaft studierte. Zu jener Zeit leitete er bereits seine Musica Antiqua Amsterdam. 1973 hat er mit diesem Vorläuferensemble des Amsterdam Baroque Orchestra und dem Collegium Vocale Gent von Philippe Herreweghe in den Niederlanden erstmals Bachs Johannes-Passion auf historischen Instrumenten aufgeführt.
Es folgten viele weitere Premieren mit dem Amsterdam Baroque Orchestra & Choir (ABO&C), wie sich das Gesamtensemble seit 1992 nennt. Unter der inspirierenden Leitung von Ton Koopman gelangte es schnell zu Weltruhm und gilt heute als eines der führenden Orchester auf dem Gebiet der historischen Aufführungspraxis.
Als Gastdirigent ist Ton Koopman ebenfalls breit aufgestellt, und mit seinem vom Barock bis zur Frühromantik reichenden Repertoire steht er häufig am Pult von Spitzenorchestern wie den Berliner Philharmonikern, der New York Philharmonic, den Münchner Philharmonikern, dem Chicago Symphony Orchestra, der San Francisco Symphony und dem Königlichen Concertgebouworkest. Dabei wird er vielfach gebeten, einem in der Regel auf „modernen“ Instrumenten spielenden Ensemble die Feinheiten der historischen Aufführungspraxis zu vermitteln. Regelmäßig dirigiert er auch Werke der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, etwa von Ludwig van Beethoven, Franz Schubert und Felix Mendelssohn Bartholdy. Internationale Anerkennung erntete Ton Koopman mit seinem ABO&C beispielsweise für die integrale Einspielung sämtlicher erhaltenen Kantaten von Johann Sebastian Bach, die mit dem deutschen „Echo Klassik“, dem BBC Award 2008, dem französischen Prix Hector Berlioz und anderen Auszeichnungen geehrt wurde. Seit 2003 erscheinen die CDs schwerpunktmäßig auf dem eigenen Plattenlabel Antoine Marchand, das über Challenge Classics vertrieben wird.
Ton Koopman tritt ferner eindrucksvoll als Cembalist und Organist in Erscheinung. Er konzertiert regelmäßig mit seiner Frau, der Cembalistin Tini Mathot, und unterrichtete viele Jahre lang Cembalo am Königlichen Konservatorium in Den Haag. Inzwischen beschränkt er sich auf Meisterkurse im In- und Ausland. Auch als Wissenschaftler und Forscher ist Ton Koopman hoch geachtet. Er erhielt 2000 die Ehrendoktorwürde der Universität Utrecht, ist emeritierter Professor der Universität Leiden und wurde 2016 mit einer Honorarprofessur an der Musikhochschule Lübeck und an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz gewürdigt. Des Weiteren wurde er unter anderem mit der Bach-Medaille der Stadt Leipzig (2006), dem Buxtehude-Preis der Hansestadt Lübeck (2012) und dem Royal Academy of Music Bach Prize (2014) ausgezeichnet.
Ton Koopman ist Vorsitzender der Internationalen Dieterich-Buxtehude-Gesellschaft und künstlerischer Leiter des französischen Musikfestivals „Itinéraire Baroque“. Außerdem ist er seit 2019 Präsident des Bach-Archivs Leipzig und seit 2024 Ehrenmitglied der Allgemeinen Musik-Gesellschaft Zürich. 2024 wurde ihm die Ehrenmünze der Stadt Zwolle überreicht.
Im Laufe seiner Karriere hat Ton Koopman einen beeindruckenden Bestand an Büchern, alten Drucken, Noten und Handschriften zusammengetragen. Seit 2020 ist diese Bibliothek im Orpheus-Institut im belgischen Gent untergebracht, damit sie weiterhin für Musiker und Forscher zugänglich bleibt und Koopmans Werk von künftigen Generationen fortgeführt werden kann.