Digitales Programm

Sa 29.10. Jubiläumskonzert

18:00 Philharmonie

Besetzung

Vladimir Jurowski, Dirigent

Konstanze von Gutzeit, Violoncello

Simone Lamsma, Violine

Katharine Mehrling, Gesang

Annette Gerlach, Moderation

Michael Beyer, Regie

Deutsche Streicherphilharmonie

Wolfgang Hentrich, Einstudierung

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin

Ralf Sochaczewsky, Assistent des Chefdirigenten

Henning Brümmer, Lichtdesign

PRJKTR. [projektor_berlin] David Roth, Videomapping

Tonabteilung der Berliner Philharmonie, Tontechnik

 

17.10 Uhr, Südfoyer, Konzerteinführung von Steffen Georgi

Das Konzert findet ohne Pause statt.

Konzert wird bei Deutschlandfunk Kultur zeitversetzt am 29.10.2023 um 20.03 Uhr aus der Philharmonie übertragen.

„Kinder, das hat gut geklungen. Wir fangen an!“

Auf den Tag genau einhundert Jahre ist es her, dass jene emphatischen Worte die Ära des deutschen Rundfunks einläuteten. Gesprochen hat sie Hans Bredow, Staatssekretär im Postministerium der Weimarer Republik, am Vormittag des 29. Oktober 1923 nach der Generalprobe im Abgeordnetenhaus. Noch am selben Abend „funkte“ die Betreibergesellschaft zum ersten Mal ein öffentliches Musikprogramm von Berlin aus in die „Runde“. Der deutsche „Rundfunk“ – dieser Begriff geht ebenfalls auf Hans Bredow zurück – war geboren. Dem Komponisten, Kapellmeister und Cellisten Otto Urack fiel die Ehre zu, das erste Musikstück auf seinem Cello zu spielen, das je im deutschen Rundfunk ausgestrahlt wurde, ein Andantino von Fritz Kreisler.

„Ich beglückwünsche das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin zu seinem 100. Geburtstag – ein bisschen vor dem eigentlichen Jubiläumstag, aber dafür hier, in Schloss Bellevue, am Sitz des Bundespräsidenten. Ich habe mir das ganz bewusst so gewünscht. Denn das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin ist schon etwas ganz Besonderes. …
Auf viele weitere gute Jahre!“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Wandelkonzert „100 Jahre Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin“ am 29. September 2023 in Schloss Bellevue

Programmablauf

Begrüßung durch Staatsministerin Claudia Roth, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien

Gernot Adrion
(geb. 1969)
Ouverture solennelle für Blasinstrumente, Schlagzeug und Klavier (Auftragswerk des RSB, Uraufführung)
Largo maestoso – Vivace con spirito

Fritz Kreisler
(1875 – 1962)
Andantino im Stile von Padre Martini für Violoncello und Klavier, instrumentiert für Violoncello und Orchester von Vladimir Jurowski
Andantino

Richard Wagner
(1813 – 1883)
„Die Meistersinger von Nürnberg“ – Vorspiel zum 1. Akt
Sehr mäßig bewegt – Bewegt, doch immer noch etwas breit – Mäßig, im Hauptzeitmaß

Paul Hindemith
(1895 – 1963)
Sinfonie „Mathis der Maler“
2. Satz „Grablegung“. Sehr langsam

Igor Strawinsky
(1882 – 1971)
Concerto en Ré – Konzert für Violine und Orchester in D
3. Satz „Aria II“
4. Satz „Capriccio"

Jean-Féry Rebel
(1666 – 1747)
„Les Caractères de la danse“ – Französische Tänze für Flöte, zwei Oboen, Streicher und Basso continuo
Gigue – Rigaudon – Passepied – Gavotte – Sonate – Loure – Musette – Sonate

Reiner Bredemeyer
(1929 – 1995)
„Bagatellen für B.“ für Orchester und Klavier
Heike Gneiting, Klavier

Hanns Eisler
(1898 – 1962)
Orchestersuite Nr. 3 op. 26 nach der Musik zum Film „Kuhle Wampe“
3. Satz „Rondo“. Molto allegro
4. Satz „Die Fabriken“. Energische, stampfende Viertel

Kurt Weill
(1900 – 1950)
„Youkali“ – Tango habanera aus der Oper „Marie Galante“
Text von Roger Bertrand/Fernay

Pjotr Tschaikowsky
(1840 – 1893)
Serenade für Streichorchester C-Dur op. 48
4. Satz „Finale“. (Tema Russo). Andante – Allegro con spirito

Sergei Prokofjew
(1891 – 1953)
„Die Liebe zu den drei Orangen“ – Konzertsuite aus der Oper nach Carlo Gozzi/ Wsewolod
Meyerhold op. 33a
Marche. Tempo di Marcia

Erste Funktstunde im Voxhaus

Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) führt seine Existenz auf den 29. Oktober 1923 zurück, weil der oben erwähnte Otto Urack nach eigener Aussage als erster musikalischer Leiter der umgehend gegründeten Funk-Stunde Berlin sogleich eine Schar von neugierigen Musikern vor dem damals einzigen Mikrophon versammelte, um mit regelmäßigen Musikprogrammen für den jungen Rundfunk zu beginnen.

Aus 253 Rundfunkteilnehmern im Oktober 1923 wurden binnen eines halben Jahres allein in Berlin 100 000. Der Anspruch, die Menschen ab sofort nicht mehr nur in den Konzertsälen und Opernhäusern zu erreichen, sondern auch zu Hause in ihren Wohnzimmern, weckte den Pioniergeist zahlreicher Komponisten, Künstler und Techniker.

Festkonzert
100 Jahre Rundfunk in Deutschland –
100 Jahre Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB)

Ein neues Medium war geboren, das alsbald zum ersten Massenmedium werden sollte. Und mit ihm ein Orchester, das im Laufe der Jahrzehnte die Wechselfälle der Weltgeschichte am eigenen Leib zu spüren bekommen sollte wie kaum ein anderes in Deutschland. Stets im unmittelbaren Zugriff der Macht, hat es „in vier deutschen Staatsformen musiziert: in der ersten deutschen Republik, auch im sogenannten Dritten Reich, in der DDR und jetzt im wieder-vereinigten Deutschland“ (Frank-Walter Steinmeier).
Heute wird es 100 Jahre alt, das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, das RSB.

Grußworte zum Jubiläum

„Radio in Deutschland begann mit Musik. Unmittelbar nach der Ankündigung, dass der Sendebetrieb im Vox-Haus aufgenommen worden ist, folgte ein Andantino des österreichischen Geigers und Komponisten Fritz Kreisler. Von Beginn an wollten die Radiomacher dem Publikum etwas präsentieren, was ihnen kostbar erschien: ein kleines Radiokonzert. Die Musiker der ersten Tage des Rundfunks waren eine lose Gruppe, deren Zusammenarbeit aber schnell mit der Gründung des ersten deutschen Rundfunkorchesters verstetigt wurde. Die bewegte Geschichte des heutigen Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin spiegelt die Geschichte Berlins im 20. Jahrhundert. Seit der Gründung der Rundfunk-Orchester und -Chöre-Gesellschaft (ROC) 1994 ist Deutschlandradio stolzer Gesellschafter des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin und in der glücklichen Lage, mit der Ausstrahlung seiner Konzerte Hörerinnen und Hörern in ganz Deutschland zu bieten, was auch heute noch vielen Menschen als das Wertvollste erscheint, das man im Radio finden kann: Radiokonzerte. Das RSB hat sich stetig weiterentwickelt und seinen Wirkungskreis erweitert: national und international hoch geschätzt, pflegt es seltene, entdeckt neue oder vergessene Werke und engagiert sich für die Bildung von Kindern und Jugendlichen. Seit 2017 trägt diese Entwicklung die Handschrift des Chefdirigenten Vladimir Jurowski. Ein Glücksfall! Mit großem Dank für viele musikalische Entdeckungen und Radiokonzerte und den besten Wünschen für die nächsten einhundert Jahre gratulieren wir herzlich!"

Stefan Raue, Intendant von Deutschlandradio, Hauptgesellschafter der Rundfunk-Orchester und -Chöre GmbH Berlin (ROC)

„Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin ist das älteste deutsche Funkorchester, das mit seiner musikalischen Exzellenz und stilistischen Vielseitigkeit die Menschen seit 100 Jahren zu begeistern weiß: ob im Berliner Konzerthaus oder der Philharmonie, in den berühmten Konzertsälen der Welt oder im Radio. Nach wie vor beweist das Ensemble seine Flexibilität und seinen künstlerischen Ausnahmestatus in analogen Live-Konzerten, die größtenteils im Rundfunk übertragen werden, in zahlreichen, auch preisgekrönten Tonträgeraufnahmen oder digital auf Abruf im Internet. Und gemeinsam mit berühmten internationalen Künstlerinnen und Künstlern (Dirigenten, Solisten) und anderen kreativen Partnern. Im Namen der ROC gratuliere ich ganz herzlich zum Jubiläum und freue mich mit unserem RSB!“

Anselm Rose, Geschäftsführer der ROC

„Nach dem Mauerfall und der deutschen Einheit fanden sich zwei, die auf jeden Fall zusammengehörten: das neu gegründete Deutschlandradio und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin. Für das Deutschlandradio war es eine einmalige kulturpolitische Herausforderung, das Orchester aus dem Ostteil der Stadt politisch wie auch mit seinen künstlerischen Leistungen im vereinten Deutschland zu präsentieren und ihm in der Rundfunk-Orchester und -Chöre gGmbH Berlin eine sichere Zukunft zu geben. Die Mühen in diesen unruhigen Nachwendezeiten haben sich ausgezahlt. Das RSB ist auf den Konzertpodien weltweit zu einem Symbol der deutschen Einheit geworden. Darauf können wir stolz sein.“

Ernst Elitz, ehemaliger Intendant von Deutschlandradio und heute Vorsitzender des Kuratoriums und der Gesellschafterversammlung der Rundfunk-Orchester und -Chöre gGmbH Berlin (ROC)

Werke

Fritz Kreisler

(1875 – 1962)
Andantino im Stile von Padre Martini für Violoncello und Klavier

Der chevalereske Verführer

Mit der Geige in der Hand eroberte Fritz Kreisler einst die Herzen des Publikums. Ohne Umschweife gestand er, wie ihm das gelang: „Die Musik hat alle Eigenschaften eines Lasters: seine heftige Anziehungskraft, seine geheime Wollust, seinen seltsamen Zwang zur Selbstaufgabe… so sind die Musiker die einzigen menschlichen Wesen, deren Laster geachtet, geehrt, ja sogar bezahlt wird.“ Und ist damit ganz nahe bei Richard Wagner, der den „geheimnisvoll-flüssigen Säften“ der Musik zutraute, „bis auf das Mark des Lebens“ (Wagner) in uns einzudringen mit nur einer Absicht: der „Überwältigung des kritischen Verstandes durch die Macht des unmittelbaren Gefühls“ (Dietmar Holland).

Fritz Kreisler, 1875 in Wien geboren, war noch Schüler von Anton Bruckner. Edward Elgar widmete ihm 1910 sein Violinkonzert. Im Ersten Weltkrieg machte der Musiker grausige Erfahrungen als Soldat an der Front. Mitte der 1920er-Jahre in Berlin ansässig, verließ der Künstler jüdischer Herkunft Deutschland nach der Machtergreifung Hitlers und ließ sich in den USA nieder.
Zum begnadeten Geiger Kreisler trat früh der geschickte Arrangeur und originelle Komponist – mit fließenden Übergängen zwischen den Berufen. Auf diese Weise entstanden jene zahlreichen Bearbeitungen und Stiladaptationen nach Tartini, Vivaldi, Corelli, Wilhelm Friedemann Bach oder Henryk Wieniawski, zu denen auch das besagte Andantino „im Stile von Padre Martini“ gehört. Wirklich ins Herz geschlossen hat die Musikwelt vor allem Kreislers ureigene Stücke, die Alt-Wiener Potpourris „Liebesfreud“, „Liebesleid“ und „Schön Rosmarin“.
Die Kürze der meisten dieser Stücke hat zu tun mit dem Aufkommen der Wachsrolle am Anfang des 20. Jahrhunderts und später der Schellackplatte als Speichermedien für Musik. Darauf passten zunächst nur wenige Minuten. Und bevor die Technik auf die Länge der Musikstücke reagieren konnte, reagierten findige Musiker wie Kreisler flugs mit der Länge ihrer Musikstücke auf die Technik.

Richard Wagner

„Die Meistersinger von Nürnberg“

Wagners „Meistersinger“- Vorspiel – der „Rollrasen“ fürs 100. Jubiläum

„Im Guten wie im Bösen: Bei Richard Wagners ‚Die Meistersinger von Nürnberg‘ handelt es sich um die deutsche Repräsentationsoper schlechthin.“ So beginnt der Musikhistoriker Arne Stollberg seinen lesenswerten Artikel zur Interpretations-geschichte des „Meistersinger“-Vorspiels beim Berliner Funk-Orchester, der soeben in dem Band „Musizieren für das Radio – 100 Jahre Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin“ im Verlag Königshausen & Neumann erschienen ist.

Für das RSB hat das „Meistersinger“-Vorspiel durch die Jahrzehnte stets eine wichtige Rolle gespielt. Erstmals erklungen und live gesendet worden ist es zur Grundsteinlegung für das Haus des Rundfunks in der Masurenallee am 29. Mai 1929.

Der damalige Chefdirigent Bruno Seidler-Winkler behandelte die Musik bemerkenswert transparent und ließ dabei besonders die Trompeten „schlank, scharf und strahlend“ (Stollberg) ertönen, gemäß seinem eigenen Credo des radiogemäßen Blechbläserklanges: „Seit Wagner die Orchestermusik revolutionierte, ist es in Deutschland Sitte geworden, die Blechblasinstrumente mit möglichst vollem, dickem Ton zu bauen … aber beim Grammophon wie im Rundfunk ‚verschmieren‘ diese Instrumente den Zusammenklang des Orchesters, weil sie alle anderen Töne dick überdecken, und es entsteht jener charakterlose Klangbrei, ergeben sich jene unplastischen Flächen, die vom Hörer so peinlich empfunden werden. Schon bei Grammophon-Aufnahmen habe ich deshalb besondere, dem französischen Muster angeglichene Blechblasinstrumente mit metallischem, spitzeren Klang bauen lassen und benutzt.“ (Bruno Seidler-Winkler, „Das Kompromiß [sic!] zwischen Kunst und Technik“, in: „Funk. Die Wochenschrift des Funkwesens“ 2, 1925)
Seitdem gab es immer wieder Aufzeichnungen des „Meistersinger-Vorspiels“, welche Schlaglichter werfen auf verschiedene Etappen innerhalb der Geschichte des zuerst Orchester der Funkstunde Berlin, dann Orchester des Reichssenders Berlin, gar Berliner Orchester des Großdeutschen Rundfunks, später Sinfonieorchester des Berliner Rundfunks und schließlich Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin geheißenen Klangkörpers. Clemens Krauss (1940), Artur Rother (1942), Kurt Masur (1959), Rolf Kleinert (1963, 1966), György Lehel (1969), Heinz Rögner (1979) und schließlich, neue Maßstäbe setzend, Marek Janowski (2011) stellten zur Diskussion, was Vladimir Jurowski im Hier und Heute streitbar weiterdenkt.
Die Musik der „Meistersinger“ darf nicht schwitzen, sie ist neben allem Getöse leichter und aggressiver, lyrischer und spröder, als zumeist dargeboten. Unter den akustischen Bedingungen eines Theaters kaum möglich, kann vielleicht im Konzert geleistet werden, was Ernst Bloch bereits 1929 (und danach lange ungehört) eingefordert hat: „Ein kammermusikalischer Teppich hat zugrunde zu liegen; der Dirigent, der schmiert, mit Lärm verschmiert, tunlichst auf die Pauke haut, ist ein Feind Wagners.“

Gernot Adrion

Ouverture solennelle für Blasinstrumente, Schlagzeug und Klavier

Feierliche Ouvertüre – vier brandneue Minuten Musik von Gernot Adrion

Von Beginn an war das RSB mit der zeitgenössischen Musik vertraut. Bedeutende Komponisten traten selbst ans Pult dieses Orchesters oder führten als Solisten eigene Werke auf: Paul Hindemith, Darius Milhaud, Sergei Prokofjew, Richard Strauss, Arnold Schönberg, Igor Strawinsky, Kurt Weill, Alexander Zemlinsky u.v.a. ebenso wie in jüngerer Zeit Krzysztof Penderecki, Jörg Widmann, Matthias Pintscher, Thomas Adès oder Brett Dean.
Drei von ihnen sollen heute Abend zu „Wort“ kommen, nicht nur weil sie alle brillante Vordenker und -reiter des seinerzeit neuen Mediums Rundfunk gewesen sind, sondern weil sie darüber hinaus tolle Musik komponiert haben. Doch bevor Paul Hindemith, Igor Strawinsky und Kurt Weill hier genannt werden, gilt unser Augenmerk: Gernot Adrion.

Gernot Adrion gehört ebenfalls zu den Komponisten, die für das RSB geschrieben haben und mit ihm aufgetreten sind. Sogar regelmäßig tritt Gernot Adrion mit dem RSB auf. Denn er ist seit 1996 stellvertretender Solobratscher im Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin. Neben dem Violaspiel und dem Dirigieren beherrscht er auch das Komponieren auf frappierende Weise. Aufgewachsen und ausgebildet in der Oberpfalz, gewann er bereits während des Studiums am Meistersinger-Konservatorium Nürnberg diverse Preise bei Wettbewerben. Gernot Adrion gibt sein Können als Mentor der Orchesterakademie an die nachfolgende Generation weiter. Als Kammermusiker verbindet ihn seit 2006 eine regelmäßige Zusammenarbeit mit Susanne Herzog und Hans-Jakob Eschenburg im Gideon-Klein-Trio sowie seit 2012 im Duo mit der Pianistin Yuki Inagawa.

Eingeladen von Vladimir Jurowski, dem RSB zum Geburtstag eine festliche Intrada zu schreiben, komponierte Gernot Adrion jene Ouverture solennelle, die heute Abend ihre Uraufführung erlebt.

„Der Aufbau der vierminütigen Ouvertüre entspricht dem eines Präludiums mit anschließender dreistimmiger Fuge. Es beginnt mit feierlichen, punktierten Rhythmen, denen sogleich eine wogende Sextolenfigur gegenübergestellt wird, die die Funkwellen der historischen Funkstunde im Jahr 1923 assoziieren soll.
Mittels der Intervalle Prime-None-Sekund-Terz (1-9-2-3) findet sich noch eine Anspielung auf dieses Jahr; ein Motiv, das im weiteren Verlauf mehrmals aufgegriffen wird. Aus der Sextolen-Figur der Einleitung schält sich allmählich ein Fugenthema heraus, das im schnellen Teil mit seinen sämtlichen Kontrapunkten in einer dreistimmigen Mixtur präsentiert wird. Das Fugato stürmt wie eine Tarantella virtuos nach vorne, während der punktierte Fanfarenrhythmus des Beginns wie eine fixe Idee quer durch alle Stimmen wandert.
Ein harmonisches Gerüst bilden die Initialen des RSB. Die Bezugstöne R(é) = D, (E)S und B sind Teil der Zwölftonreihe d-h-c-es-a-f-ges-des-g-e-gis-b und treten an prominenten Stellen der Komposition hervor. So beginnt das Werk mit dem Grundton D; der Anfang des fugierten schnellen Teils sowie ein später folgender Orgelpunkt werden durch den Ton Es als Grundton geprägt. Die Coda schließlich mündet in einen strahlenden Schluss in B.
Herzlichen Glückwunsch zum 100., liebes RSB!“ (Gernot Adrion)

Paul Hindemith

Sinfonie „Mathis der Maler“

Macht Kunst Politik – Hindemiths musikalische Metaphern

Paul Hindemith war ein Universalgenie: Berufsmusiker (Geige, Bratsche, Fagott, Horn, Tuba, Kammermusik), Komponist, Musikwissenschaftler, Lehrer, aber auch Zeichner von witzigen Karikaturen und „Künstler des Experiments und der Verbindung zur technischen Welt“ (Hans Heinz Stuckenschmidt).

Vornehmlich als Bratschensolist trat Paul Hindemith um 1930 mehrfach vor das Berliner Funkorchester. Für das Festkonzert haben wir jedoch kein Bratschenwerk ausgewählt und auch keines der liebenswürdigen Experimentalstücke, mit denen Hindemith dem Rundfunk und dessen Berliner Orchester einst mächtig auf die Sprünge helfen wollte.

Inzwischen hatte der heraufziehende Faschismus jegliches Vergnügen vertrieben. 1932 machte Willy Strecker vom Schott-Verlag dem Komponisten den Vorschlag, eine Oper über einen großen Deutschen aus der Vergangenheit zu schreiben, etwa Gutenberg oder Grünewald. Hindemith lehnte ab, zu Gutenberg fand er keinen Zugang, Grünewald schien ihm praktisch ungeeignet, zu sehr Maler, zu wenig Musiker. Stattdessen begann er einen Entwurf für eine Liebesgeschichte – zwischen einem französischen Kriegsgefangenen und einem deutschen Mädchen. Jetzt erschrak Strecker: Pazifismus und Internationalismus anno 1933? War Hindemith von Sinnen? In bitterer Einsicht plante der nun eine Oper über die Anfänge der Eisenbahn, schön unpolitisch. Doch im Juni 1933 siegte Hindemiths Gewissen, keine Eisenbahngeschichte, sondern doch Grünewald.

Mathis, der Katalysator

Mathias Nithart, der sich später Mathis Gothart nannte, ist seit 1675 unter dem irrtümlichen Namen Matthias Grünewald als Künstler des Isenheimer Altars (heute in Colmar), der Karlsruher Kreuzigung und der Stuppacher Madonna in die Geschichte eingegangen. Geboren um 1480 in Würzburg, sympathisierte der Meister der Spätgotik, der einen ausgeprägten Gerechtigkeitsinn besaß, mit den Bauern, welche er in ihrem Krieg gegen den Feudaladel unterstützte und mit den Ideen Martin Luthers, der dem gierigen Klerus in Rom die Stirn bot. Umfassend gebildet, künstlerisch begnadet, technisch versiert und hoch geschätzt von Philipp Melanchton, ging Grünewald später dem Beruf eines Wasserkunstmachers und Mühlenbauers nach. Er starb am 31. August 1528 in Halle/Saale an der Pest.
Die Rolle des Künstlers als intellektueller Seismograph drohenden oder vorhandenen gesellschaftlichen Unheils, sie existierte bei Michelangelo und Shakespeare, bei Goya und Grünewald, bei Beethoven und Schostakowitsch. Hindemith nahm den Kampf um persönliche Integrität auf, indem er sich in die Arbeit stürzte. Als ihn Wilhelm Furtwängler um ein Werk für die Konzertsaison 1933/1934 bat, bündelte Hindemith musikalische Ideen, die er der Mathis-Oper zugedacht hatte, sozusagen vorab zu einer Sinfonie. Das Werk ist dreisätzig, wobei jeder Satz eine programmatische Überschrift trägt. Das „Engelskonzert“ und „Die Versuchung des Hl. Antonius“ rahmen den zweiten Satz, „Grablegung“, nach einem der Bildmotive des Isenheimer Altars. Der Satz geht später notengetreu in die Oper ein und beklagt dort als instrumentales Zwischenspiel den Tod von Grünewalds Muse Regina. Aber er ist anno 1934 vor allem Hindemiths trauriger Abschied von den Werten der zivilisierten Menschheit. Die Uraufführung der „Mathis“-Sinfonie entzündete die Wut der Nazis gegenüber dem Komponisten.
Furtwängler hatte das Konzert am 12. März 1934 zu einer Demonstration der künstlerischen Macht über die politische stilisiert und Hindemiths gedeihende Oper demonstrativ in den Spielplan 1934/1935 aufgenommen. Diesen Machtkampf mussten er und Hindemith verlieren. Überzeugt von seiner Unantastbarkeit, verfasste der renommierte Staatskapellmeister und Chef des Berliner Philharmonischen Orchesters einen Artikel über Hindemiths Verdienste für die Musik der Gegenwart. Der Artikel erschien am 25. November 1934. Wenige Tage später antwortete Goebbels mit der berühmt-berüchtigten Rede im Sportpalast. Furtwängler demissionierte, Hindemith ging ins Ausland. Das verhängnisvolle Machtspiel hatte sowohl Hindemith als auch Furtwängler den Blick verstellt auf die wahre Dimension des Nationalsozialismus. Dessen verbrecherische Dynamik nicht ernst zu nehmen hieß, sie hinzunehmen.

Igor Strawinsky

Concerto en Ré – Konzert für Violine und Orchester in D

Strawinsky dirigiert – das ganze Orchester hämmert

Die Uraufführung des Violinkonzertes von Igor Strawinsky mit dem Geiger Samuel Dushkin und dem Komponisten als Dirigenten gehört zu den herausragenden Meilensteinen der Orchestergeschichte des RSB. Am 23. Oktober 1931 musizierte das Orchester der Berliner Funk-Stunde in der alten Philharmonie vor vollem Saal und geöffneten Mikrofonen dem Violinkonzert seinen allerersten Erfolg.

Fast genau ein Jahr später, am 28. Oktober 1932 fand eine zweite Aufführung in gleicher Besetzung statt, an die sich Strawinsky in seinen „Chroniques de ma vie“ lobend erinnert. Das Funk-Orchester besaß damals bereits hinreichend Strawinsky-Erfahrung, hatte es doch zum Beispiel am 13.1.30 die Bläsersinfonien (Igor Strawinsky), am 13.1.31 „Die Geschichte vom Soldaten“ (Hermann Scherchen), am 1.6.32 die Sinfonie in Es op. 1 (Leo Borchard) vor die Rundfunkhörer gebracht.
„Der Rundfunk tut, was die Konzertgeber tun sollten“, unterstützte Heinrich Strobel 1931 in der Zeitschrift „Melos“ das Konzert, bewunderte außerdem Strawinskys äußerste „Schärfe in Klang und Rhythmus. Das ganze Orchester hämmerte. Ein grandioser Eindruck. Unheimliche Begeisterung der ausverkauften Philharmonie.“
Ganz anders im Dezember 1931 die „Zeitschrift für Musik“. Deren Kritiker Fritz Stege schäumte: „… Dann versteht man auch, weshalb Strawinsky seine neueste Musikware, für die er in seiner neuen Heimat keine Abnehmer findet, nach Berlin importiert. Und begreift den Jubel eines ausverkauften Konzertsaales, den die „Berliner Funkstunde“ (natürlich!) nach erfolgreicher Radio-Impfung mit Menschenmassen bis zum letzten Platz füllte. Bedauerlich, daß die öffentliche Meinung einen zu beschämend geringen Mut zur Aufrichtigkeit besaß, um die „Welt-Uraufführung“ dieses Violinkonzertes, das Samuel Dushkin vortrug, beim richtigen Namen zu nennen: Als eine Bachschändung, die auf den Urgrund Bachscher Stileigenheiten das wirre Gedankengestrüpp hypermodernen Unfugs verpflanzte mit Anklängen von Kirmes-Musik in bäurisch-derber Instrumentation, und die unter der Schminke französischer Zivilisation die Wildheit halbasiatischer Instinkte erkennbar genug aufleuchten ließ.“

Saitenspielereien

Wesentlichen Anteil an Strawinskys „Violin-Interesse“ hatte der junge amerikanische Geiger Samuel Dushkin, ein engagierter, talentierter und aufgeschlossener Musiker von hohem kulturellem Format, der bei dem berühmten Violinpädagogen Leopold Auer studiert hatte. Strawinsky lernte Dushkin im Haus von Willy Strecker, einem Mitbesitzer des Schott-Verlages und Freund Paul Hindemiths, kennen.

Nach eigenen Aussagen sowohl Strawinskys als auch Dushkins überwanden beide schnell ihre anfänglichen Vorbehalte gegeneinander, und es begann eine intensive Zusammenarbeit. Entgegen seiner Gewohnheit prüfte Strawinsky Dushkins Vorschläge sehr wohlwollend und überdachte jeweils das bereits Geschriebene neu, wenn er auf Dushkins Rat etwas verändert hatte.
Obwohl Strawinsky in anderen Schaffensphasen gerade die Violine stiefmütterlich behandelte, entstanden während weniger Jahre mehrere Kompositionen, die dem höchsten Streichinstrument, seiner „italienischen Herkunft entsprechend die Pflege des Gesangs, der Melodie“ (Strawinsky) betonend, solistischen Raum gaben. Jetzt entdeckte Strawinsky das Konzertieren im Sinne Vivaldis und Bachs für sich neu. Dabei bediente er sich allein der Prinzipien und Ideen, nicht aber der unmittelbaren musikalischen Details. Rigoros baute er in das neoklassizistische Gerüst seine eigene Sprache ein, was die Traditionalisten immer das Fehlen Bachscher Intonationen bei Strawinsky bemängeln ließ, während die Modernisten geringschätzig auf den vermeintlich zopfigen Papa-Bach-Nachfolger herablächelten. „Strawinskys Wiederentdeckung des 18. Jahrhunderts war eine leidenschaftliche Anverwandlung, glich eher musikalischen Raubzügen und Einvernahmen.“ (Wolfgang Burde)

Kurt Weill

„Youkali“ – Tango habanera aus der Oper „Marie Galante“

Weil Weill weiß, was er tut

Eine Retrospektive auf 100 Jahre RSB kommt nicht aus ohne Kurt Weill. Der junge Kantorensohn aus Dessau ist kaum 25 Jahre alt, als er in Berlin kräftig mitmischt bei der Profilierung des jungen Rundfunks. Während seine Musik, die er vor der Begegnung mit Bertolt Brecht komponiert hat, noch eher expressionistisch „normal“ klingt, nehmen sich seine theoretischen und praktischen Ideen für das neue Medium reichlich revolutionär aus.

Spätestens mit der „Dreigroschenoper“ etabliert Kurt Weill 1928 den unverwechselbaren Songstil, der ihm auf Anhieb internationale Beachtung einbringt. Das Berliner Funkorchester spielt die allererste Rundfunkaufnahme der Kleinen Dreigroschenmusik am 16. Februar 1930 in der Berliner Volksbühne, es dirigiert Hermann Scherchen.

Heute Abend kündet ein kleines, verträumtes Lied von der Kunst Kurt Weills. Katharine Mehrling singt es auf einen Text von Roger Fernay, der eigentlich Roger Bertrand hieß, mit freundlicher Genehmigung der © ALPHONSE LEDUC EDITIONS MUSICALES for the World excl. USA and British Reversionary Territories & © EAM for USA and British Reversionary Territories.

Bevor es zum Lied geworden ist, war es eine Instrumentalkomposition, eine Tango-Habanera aus der unvollendeten Oper „Marie Galante“ von Kurt Weill – mit allen musikalischen Insignien, die es braucht, um zu einem Welterfolg zu werden.

Youkali ist das Land der Sehnsucht, die Insel des Glückseligseins. Wer möchte nicht gerne dorthin, oder wenigstens davon träumen? Doch liebe Freunde, die Insel existiert nicht, entzaubern Weill und Fernay die Illusion selber – es sei denn, Du findest sie in Dir.

Hanns Eisler

Orchestersuite Nr. 3 op. 26 nach der Musik zum Film „Kuhle Wampe“

Was des Eislers ist

Die meisten wissen von Hanns Eislers Musik nur vom Hörensagen. Für viele ist er eine gesellschaftliche Attraktion, ein brillanter und witziger Kopf, ein Mann von weiter Kultur. Für manche ist er der gefährliche Kommunist, der der DDR eine Nationalhymne komponiert hat. Heinz Rögner hat in den 1970er-Jahren mit dem RSB fast alle Orchesterwerke Eislers in mustergültigen Interpretationen für den Rundfunk aufgenommen.
Luciano Berio sagt 1988: „Eislers Musik war von Grund auf dumm.“
Dagegen Bertolt Brecht: „Eisler musiziert ebenso naiv und ebenso konstruktiv wie die anderen großen Komponisten des 18. und 19. Jahrhunderts, deren Werk er fortsetzt. ...

Das gesellschaftliche Verantwortungsgefühl ist bei ihm lustvoll in höchstem Maße. Er schöpft seine Texte nicht einfach aus, er behandelt sie und gibt ihnen, was des Eislers ist.“

Vorwärts und nicht vergessen

Wo ne Kuhle statt ner Wampe is, ja da ist der Bauch leer und Schmalhans Küchenmeister. Der Film „Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt?“ von Slatan Dudow thematisiert Weltwirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und Hunger im Berlin der frühen 1930er-Jahre. Nachdem ein junger Langzeitarbeitsloser Suizid begangen hat, fliegt seine Familie aus der Wohnung wegen „selbstverschuldeter“ Zahlungsunfähigkeit. Sie zieht in das Baracken- und Zeltlager „Kuhle Wampe“ am Müggelsee. Die Tochter, Anni Bönike, wird schwanger, verlässt das Lager, um zu ihrer Freundin Gerda zu gehen, die dem Arbeitersportverein „Fichte“ angehört“. Dort wird mit viel Enthusiasmus von den jungen Arbeiterinnen und Arbeitern ein Wettkampf unter freiem Himmel vorbereitet, sogar Fritz ist da, der potentielle Kindsvater. Fritz und Anni kommen sich wieder näher. Am Schluss prallen während einer S-Bahn-Fahrt zurück nach Berlin die sozialen Gegensätze in harten Diskussionen mit bürgerlichen, wohlhabenden Fahrgästen aufeinander: Wem gehört die Welt?

Die geschliffenen Dialoge hat Bertolt Brecht formuliert. Die eindringliche, niemals bloß untermalende Musik trägt bisweilen alleine die Handlung. Sie stammt von Hanns Eisler. Nach der Premiere am 30. Mai 1932 sahen zehntausende Berliner den „ersten proletarischen Tonfilm“, wie ihn die Autoren selbst verstanden wissen wollten. Vor allem das „Solidaritätslied“, das musikalisch-motivisch von Eisler subtil vorbereitet und in einem machtvollen emotionalen Crescendo am Ende des Films lauthals gesungen wird, verbreitet sich in den letzten Monaten der Weimarer Republik wie ein Lauffeuer im ganzen Land. Arbeiterchöre singen es zu Hunderten, proletarische Sportveranstaltungen gipfeln darin, bis die Nationalsozialisten es im März 1933 zusammen mit dem Film verbieten.

EIndringlich statt aufdringlich

Eisler, ein „Meister der unaufdringlichen Eindringlichkeit“ (Adorno), versteht es, Geschichten mit Musik zu erzählen. Gleichwohl liegt es ihm fern, Bildsequenzen illustrativ zu verdoppeln. Vielmehr folgen seine musikalischen Formen kompositorischen Gesetzmäßigkeiten, gehorchen dem Prinzip der „sich ergänzenden Beziehungen“ (Robert Rabenalt), des „dramaturgischen Kontrapunkts“ (Hanns Eisler): Bewegung gegen Ruhe, Ruhe gegen Bewegung. Dieses Prinzip bildet eine der theoretischen Essenzen von Eislers und Adornos Buch „Komposition für den Film“.
„Die Musik hat – im Gegensatz zu den anderen Künsten – noch archaische Züge, nämlich des noch Dumpfen, Unbewussten. Das Ohr ist gewissermaßen zurückgebliebener als das flinke Auge. Das hat den Typ des Musikers mit geformt, der sich aus dem Streit der Welt herauszuhalten sucht, seine gesellschaftliche Lage nicht erkennt und sich in die großen Auseinandersetzungen unserer Zeit nicht hineinbegeben will. Er will mit Politik nichts zu tun haben, aber er vergisst, dass die Politik mit ihm zu tun hat, dass die allgemeinen Interessen auch seine Interessen sind und dass man außerhalb der Gesellschaft nicht leben, sondern nur vegetieren kann. Ein solches Verhalten beschädigt auch seine Kunst. Aber sich an dem Kampf um die edelste Aufgabe unseres Jahrhunderts – die Verteidigung und Erhaltung des Friedens – zu beteiligen, heißt auch, seine privaten Interessen zu verfolgen.“
(Hanns Eisler, 2. September 1961, Rede auf der Internationalen Manifestation zum Abschluss des deutschen Friedensvertrages)

Reiner Bredemeyer

„Bagatellen für B.“ für Orchester und Klavier

B. für B. – Bredemeyers Dialog mit Beethoven

„Im Januar 1970 schrieb ich meinen Beitrag zur Beethoven-Ehrung. Opus 119 und 126 waren seit langem Gegenstand meiner besonderen Bewunderung.“

Die beiden unscheinbaren Zyklen von Beethovens Klavier-Bagatellen könnten verschiedener kaum sein, veröffentlicht 1823 und 1824. Sie scheinen auf den ersten Blick später Beethoven zu sein, veröffentlicht 1823 und 1824. Doch Opus 119 mitsamt der kleinen D-Dur-Allemande, die es Reiner Bredemeyer wegen ihrer „klaren einfachen Sprache“ so angetan hat, wird wohl auf die Zeit zwischen 1800 und 1804 zurückzugehen. „Die andere, ein vehementes, aufgebrochenes und improvisatorisch modelliertes Stück in g-Moll gehört als Nummer 2 dem Zyklus von sechs Bagatellen op. 126 an, der 1823/1824 komponiert wurde und drastisch die Kennzeichen von Beethovens Spätstil ausprägt.“ (Frank Schneider)
Die Bagatellen für B. beginnen mit den beiden berühmten nachkomponierten Eingangsakkorden der Sinfonia eroica. Ruhe jetzt, Vorhang auf! Rief Beethovens damals mitten hinein in das Volksgemurmel im Theater. Bredemeyer genießt die große Geste, um sie sogleich zu brechen mit lapidaren Bagatellentönen desselben Meisters. „D-Dur und g-Moll, streng Geformtes und extrem Konstruiertes boten sich als Möglichkeiten der Kopplung an. Der verspielte Anfang von 119/3 ließ das Eroica-Gewicht des Starts nötig erscheinen, und aus diesen sich kontrapunktisch ergänzenden Teilen wuchs das Stück mir sehr konsequent zusammen.“ Weiter erzählt der Komponist Bredemeyer, wie er die ursprüngliche Idee, Beethovens Vorlage alsbald radikal zu verlassen, sehr schnell aufgab zugunsten der inneren Logik, die Beethoven bereits selber angelegt hatte. Voller Vergnügen entdeckte Bredemeyer „Verrückungen, Minizäsuren, scheinbar willkürliche, falsche Antworten“ bei Beethoven und baute selber nur winzige Widerhaken zum Beispiel in die Instrumentation ein. Gar eine augenzwinkernd didaktische „Wiederholung der Gesamtstruktur schien mir ratsam“. Am Ende entstand „ein Collagestück …, das ebenso unverwechselbarer Bredemeyer ist, wie es kaum den Beethovenschen Vorlagen Noten sich hinzuzufügen gestattet.“ (Frank Schneider)

Reiner Bredemeyer gehörte zu jenen honorigen DDR-Komponisten, die im gleichen Maße der kulturpolitischen Elite suspekt waren, wie sie die Musikszene des 28 Jahre lang eingezäunten Landes mit souveränem Können und unzähmbarer Phantasie bereicherten.

Den Platz im heutigen Festkonzert nehmen die Bagatellen von B. und für B. stellvertretend für all jene Kompositionen ein, die das RSB im Laufe der DDR-Jahrzehnte und unter wechselnden Chefdirigenten von Abendroth über Kleinert bis hin zu Rögner mit aufrichtigem Engagement und mit vorbildlichen Interpretationen aus dem Alltag herausgehoben hat.

Hoch-Stimmung auf B

Köstlich ist auch der Schluss. Sozusagen das Pferd von hinten aufzäumend, enden die Bagatellen für B. mit dem Einstimmen des Orchesters. Der Konzertmeister steht auf, spielt – nicht A, sondern B! Alle Instrumente folgen mit dem nämlichen B. Bredemeyer nannte das schmunzelnd „Hoch-Stimmung“. Doch sie intonieren nicht einfach das B durcheinander, sondern unterlegen es jeweils mit einem der typischen beethovenschen Rhythmen. Otmar Suitner, der Uraufführungsdirigent 1971, hat mit Reiner Bredemeyer dafür einen genauen Fahrplan verabredet: Die Streicher crescendieren das B, Flöten und Oboen halten sich an die Sinfonie Nr. 7, Klarinetten an das 5. Klavierkonzert, Fagotte nehmen sich das Finale der Sinfonie Nr. 4 vor, Hörner ihre Stelle aus der Sinfonie Nr. 5. Die Trompeten imitieren ihr Signal aus „Fidelio“, während die Pauken sich ihrem Solo aus dem 2. Satz der Sinfonie Nr. 9 zuwenden. Das ganze Orchester ebbt langsam ab, bis nur noch das einsame B der Oboe übrigbleibt. „Das heißt, es ist eine Genauigkeit beim Hören, beim Hören der Abläufe wünschenswert. Das Gesamtwerk scheint mir auch viel anhörenswerter, wenn man es als Gemachtes, Gebautes sieht. Aber das ist vielleicht grundsätzlich meine Art des Genießens. Ich finde, dass da bei Kunst etwas Ähnliches wie in der Liebe vor sich geht: Der Genuss entsteht nicht durch einen allgemeinen Rausch, sondern durch die Freude am besonderen Detail. Insofern ist beides mit Wissen und Erfahrung allein nicht zu bewältigen. Man muss immer wieder naiv davor sein – sowohl dem anderen Menschen wie dem Kunstwerk gegenüber. … Wenn viele die sogenannte schwere Musik als Zumutung empfinden, so sollte man nicht übersehen – in diesem Wort steckt auch das Wort Mut, und Mut gehört zum vollen Genuss des Hörenkönnens. Darum kann es für mich nicht heißen Eisler oder Beethoven, sondern nur Eisler und Beethoven.“ (Reiner Bredemeyer)
Indem sie weder ihn oder sich selber bagatellisieren, werden Bredemeyers Bagatellen für Beethoven dem Meister gerecht. Was sehr viel ist.

Jean-Féry Rebel

„Les Caractères de la danse“

Rebellischer Rebel

Frech genug für ein unangepasstes Musikerleben war er, der kleine Franzose, 1666 geboren, der schon im Kindesalter virtuos auf der Geige sich tummelte. Das Wunderkind wurde bald Mitglied des Versailler Eliteorchesters „24 Violons du Roy“, ab 1717 dessen Chef. Parallel dazu leitete er das Orchester der Académie royale de musique.
Jean-Féry Rebel wurde berühmt für den Clusterakkord am Beginn seiner Sinfonie „Les éléments“. Und für seine turbulente Tanzsuite „Les Caractères de la danse“, vorgestellt 1715 in Paris. Innerhalb weniger Sekunden wechseln dort die Temperamente, die Rhythmen, die Tempi sich ab, um einen Strauß von zeitgenössischen französischen Tänzen des 18. Jahrhunderts en miniature zu porträtieren.

Die Charaktere des Tanzes

Die Courante von Rebel sollte Johann Sebastian Bach in der ersten Orchestersuite BWV 1066 wiederverwenden. Menuett und Bouree sind kaum erkennbar, da folgt schon eine Kurz-Chaconne. Johann Mattheson hat die Tänze 1739 alle beschrieben. Jetzt laufen sie nacheinander ab wie am Schnürchen – was für Musiker und Tänzerinnen wie für unsere überforderten Ohren leicht zum gemeinen Fallstrick werden kann. Vladimir Jurowski steigt bei der Gigue in die Suite ein, um die historisch informierte, vordere Stuhlkantenpräsenz der heutigen RSB-Musikerinnen und -Musiker auch im barocken Repertoire zu demonstrieren. Ein Spaß, dem „tändelnden Scherz“ des Rigaudon, der „Leichtsinnigkeit“ des Passepieds, dem „hüpfenden Wesen“ der Gavotte (alle Zitate von Mattheson) zu folgen. Italienische Virtuosität rauscht auf in der Sonate, muss noch einmal einer sich lustig plusternden Loure und einer deftigen Dudelsack-Musette das Feld räumen. Dann gibt es keine Halten mehr für die italienische Sonate, sie verwandelt „die französische Bal¬lettbühne plötzlich in den Markusplatz von Venedig. Am Dresdner Hof wurde Rebels Ballettmusik übrigens rein kon¬zertant aufgeführt, als Paradestück des berühmten Dresdner Orchesters. Dies belegt eine Orchestrierung des Dresdner Konzertmeisters Pisendel, die sicher auch Bach kannte“ (Josef Beheimb).

Pjotr Tschaikowsky

Serenade für Streichorchester C-Dur op. 48

Mozarts Geist aus Tschaikowskys Händen

„Wissen Sie, dass ich mich jünger und munterer, beinahe als Jüngling fühle, wenn ich Mozart spiele“, freute sich Pjotr Tschaikowsky im September 1880 gegenüber seiner Gönnerin Nadeshda von Meck. Es waren die Wochen, in denen er an der Serenade für Streichorchester C-Dur op. 48 arbeitete. Sie wurde kraft ihrer strömenden Melodik und Klangsinnlichkeit zu einer Art von „Kleiner Nachtmusik“ des 19. Jahrhunderts.

Dass heute Abend ihr Finalsatz Eingang in das Festprogramm gefunden hat, ist eine Referenz an das Patenorchester des RSB, die Deutsche Streicherphilharmonie. Seit 50 Jahren währt die enge Partnerschaft, indem Generationen von RSB-Mentorinnen und -Mentoren die hochbegabten Teenager bei ihrem Weg in die vielleicht berufliche, jedenfalls musikalische Zukunft angeleitet und begleitet haben.

Tschaikowsky meinte gegenüber Frau von Meck, die Serenade habe er aus innerem Antrieb komponiert. „Sie ist vom Gefühl erwärmt und – wie ich hoffe – von wirklichem Wert.“ Was wäre besser geeignet, die herzliche Verbundenheit zwischen den „Jungen“ und „Alten“ fühlbar transparent zu machen.
Das Finale voller russischem Temperament knüpft direkt beim ersten Satz der Serenade an. Zwei Volkslieder liefern das melodische Material für die Variationenfolge: die schlichte und schwermütige Melodie des Treidlerliedes „Auf der Wiese“ und das Tanzlied „Unterm grünen Apfelbaum“.
Auf der Wiese, sozusagen unterm grünen Apfelbaum trafen sich die jungen Streicherinnen und Streicher 1973 zum ersten Mal – als Festivalorchester der „X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten“ in Ost-Berlin. Ein Jahr zuvor hatte der Dirigent Helmut Koch, Begründer des Berliner Kammerorchesters, Leiter der Berliner Singakademie und Chefdirigent des Rundfunkchores Berlin, das Zentrale Jugendorchester der Musikschulen der DDR ins Leben gerufen. Kurze Zeit später firmierte es als Rundfunk-Musikschulorchester bereits unter den Fittichen von Generationen von RSB-Mentoren. Heute Abend entbieten ihre Nachfolger dem Patenorchester einen klingenden Gruß.

Sergei Prokofjew

„Die Liebe zu den drei Orangen“

Frisch gepresst – Prokofjews Orangen

Ein Prinz leidet an hypochondrischer Melancholie und Lebensüberdruss. Clowns, Spaßmacher, Stimmungskanonen, Entertainer, Animateure versuchen ihre Spielchen. Naja, man lacht. Nur der Prinz nicht. Ein Schelm, der beim Friseur die letzte Nummer der „Bunten“ heraussucht, um die Details nachzulesen!

Eine Fee, Fata Morgana, spinnt fleißig Intrigen. Und verheddert sich bald im eigenen Netz, landet gar böse auf ihrem verlängerten Rücken. Schadenfreude ist die schönste Freude, erkennt der Prinz und – endlich bricht sich das Lachen Bahn, gluckst und gurgelt, tobt und kollert aus ihm heraus.

Die geprellte Fee tobt: „Du verfluchter Lacher, verlieben sollst du dich! Unsterblich! In drei Orangen!“ Nun ist es der liebestolle Prinz (es grüßen Tamino, Giovanni, Quijote und wie sie alle heißen), der gemeinsam mit seinem Truffaldino Wälder und Wüsten durchstreift, um die Zauberorangen zu finden. Potz, es gelingt! Doch der Rückweg ist weit, der Durst groß und die Last schwer.

Also schlachtet man erst eine, dann die zweite Orange. Aus beiden entsteigt je eine Prinzessin, die selber sofort verdursten. Wie gewonnen, so zerronnen. Bevor die dritte Prinzessin dasselbe Schicksal ereilt, schaltet sich der Revolutionär des russischen Avantgardetheaters der 1920er-Jahre in die Commedia dell’arte des Carlo Gozzi ein: Wsewolod Meyerhold stellt eine Schüssel mit Wasser auf die Bühne. „Trivial. Aber genau das war das, was Meyerhold als die Sensation der Trivialität bezeichnete. Man hat diese Oper mehrfach, und ich glaube auch zu Recht als Persiflage auf Wagner wahrgenommen, diese hypertrophe Emotionalität, das Pathos bei Wagner – das ist die Gegenantwort.“ (Sarah Matuschak)

Vitaminstoß

Sergei Prokofjew fühlt sich hörbar wohl inmitten des wilden Stückes, auf das ihn Wsewolod Meyerhold 1917 aufmerksam gemacht hat. Die Oper aus dem Jahre 1919, uraufgeführt 1921 in Chicago, wird inzwischen oft gespielt. Wer sie nicht kennt, kennt bestimmt den schmissigen Marsch, der darin mehrfach als Überleitung dient. Die bizarre, auch politisch anspielungsreiche Komik mündet in eine furiose Liebeserklärung an das Theater, an das Lachen, an das Märchen des Menschseins.

Steffen Georgi

Kurzbiographien

Vladimir Jurowski - Chefdirigent und Künstlerischer Leiter

Seit 2017 und mindestens bis 2027, so sagt es der kürzlich verlängerte Vertrag, steht Vladimir Jurowski an der Spitze des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. Damit arbeitet das RSB im Jahrzehnt rund um sein 100-jähriges Bestehen mit einem der interessantesten Dirigenten zusammen, die das Musikleben derzeit weltweit prägen. Vladimir Jurowski, der seit 2021 parallel zu seiner Tätigkeit in Berlin Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper in München ist, leitete zuvor für 18 Jahre das London Philharmonic Orchestra sowie 12 Jahre lang als Musikdirektor die Glyndebourne Festival Opera. Er war bis 2021 zusätzlich Künstlerischer Leiter des Staatlichen Akademischen Sinfonieorchesters „Jewgeni Swetlanow“ der Russischen Föderation und Principal Artist des Orchestra of the Age of Enlightenment in Großbritannien, außerdem Künstlerischer Leiter des Internationalen George-Enescu-Festivals in Bukarest. Begonnen hatte seine internationale Laufbahn u.a. als Erster Kapellmeister der Komischen Oper Berlin (1997-2001).
Der Dirigent wurde zunächst in seiner Heimatstadt Moskau ausgebildet. 1990 kam er nach Deutschland, wo er das Studium an den Musikhochschulen in Dresden und Berlin fortsetzte. 1995 debütierte er beim irischen Wexford Festival und 1996 am Royal Opera House Covent Garden („Nabucco“). Seine Gastverpflichtungen, die ihn früher zu den bedeutendsten Orchestern Europas und Nordamerikas geführt haben, reduziert er inzwischen – sofern sie zeitlich überhaupt möglich sind – bewusst auf jenen geographischen Raum, der es ihm erlaubt, seinen ökologischen Fußabdruck möglichst klein zu halten. Vladimir Jurowski wurde vielfach für seine Leistungen ausgezeichnet.

Katharine Mehrling

Katharine Mehrling ist in der Komischen Oper Berlin oder im Konzertsaal genauso zuhause wie in der Bar jeder Vernunft. Sechs Mal hat sie den Publikumspreis „Goldener Vorhang“ erhalten – als beliebteste Schauspielerin Berlins – und wurde mit dem BZ-Kulturpreis ausgezeichnet. Der Weg der Schauspielerin, Sängerin & Songwriterin führte nach New York auf die Schauspielschule, zum Theaterdebüt ins Old Vic Theatre im Londoner West End und nach Paris. Sie zog nach Berlin, eroberte Theaterbühnen und Publikum.
Seit ihrem Kurt-Weill-Abend „Lonely House“ – mit Barrie Kosky am Klavier – wird sie als Weill-
Interpretin hochgeschätzt, u.a. beim Edinburgh Festival 2021. Im Jahr 2022 war Katharine Mehrling als Kurt-Weill-Botschafterin Artist-in-Residence des Kurt-Weill-Festes in Dessau. Ihrer Liebe zum Jazz und zum französischen Chanson widmet sie sich in vielen ihrer Programme und auf mehreren CDs. Gemeinsam mit Jazz-Klarinettist Rolf Kühn hat sie das Album „Am Rande der Nacht“ mit eigenen Liedern produziert. International gibt sie Konzerte zum Beispiel in Joe’s Pub at the Public Theatre in New York oder in The Cabaret in Indianapolis. Beim RSB debütierte sie 2022 als Anna I & II in Brecht/Weills „Die Sieben Todsünden“ unter der Leitung von Vladimir Jurowski.

Simone Lamsma

Die niederländische Geigerin Simone Lamsma, heute erstmals beim RSB zu Gast, kann gleichwohl auf eine eindrucksvolle Reihe von international führenden Orchestern und namhaften Dirigenten auf allen Kontinenten verweisen, bei denen sie bisher als Solistin eingeladen war.
Zu den Höhepunkten der Saison 2023/2024 gehören ihre Auftritte als Artist-in-Residence beim Royal Liverpool Philharmonic Orchestra. Das Debüt bei den Wiener Symphonikern mündet in eine Tournee unter der Leitung von Jaap van Zweden. Beim Mostly Mozart Festival Orchestra im Lincoln Center New York und beim Baltimore Symphony Orchestra gastiert sie an der Seite von Jonathon Heyward. Simone Lamsma reist zum Cleveland Orchestra, tritt gemeinsam mit Elim Chan und Osmo Vänskä im Concertgebouw in Amsterdam auf, mit Tarmo Peltokoski beim Rotterdam Philharmonic. Konzerteinladungen führen sie außerdem nach Paris, Montréal, Tokio, Torino und Köln. Als Artist-in-Residence bestreitet sie ihre dritte und letzte Saison beim Oregon Symphony Orchestra.
Aufnahmen mit Simone Lamsma stellen Werke von Rautavaara, Schostakowitsch, Gubaidulina, Mendelssohn, Janáček und Schumann vor. 2019 wurde die Künstlerin als eine von 300 ehemaligen Akademiestudent:innen zum Fellow der Royal Academy of Music in London ernannt.

Konstanze von Gutzeit

Die Cellistin Konstanze von Gutzeit, eine der profiliertesten und vielseitigsten Instrumentalistinnen ihrer Generation, gehört seit 2012 als Solistin und Kammermusikerin sowie als Erste Solocellistin dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin an. Geboren in einer Musikerfamilie, begann Konstanze von Gutzeit mit dem Cellospiel im Alter von drei Jahren. Ihre Studien absolvierte sie bei Heinrich Schiff in Wien, bei Jens Peter Maintz in Berlin und bei Wolfgang Emanuel Schmidt in Weimar. Wichtige musikalische Impulse erhielt sie zudem von David Geringas, Frans Helmerson, Gary Hoffman und Ferenc Rados. Von Beginn ihrer musikalischen Laufbahn an machte Konstanze von Gutzeit durch zahlreiche internationale Wettbewerbserfolge auf sich aufmerksam. Als Solistin konzertierte sie mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin – zuletzt im Oktober 2023 umjubelt in „Don Quixote“ von Richard Strauss –, mit den Bochumer Sinfonikern, dem Wiener, Münchner und Stuttgarter Kammerorchester, der Kammerakademie Potsdam, dem Bruckner-Orchester Linz und vielen anderen. Dabei arbeitete sie mit Dirigenten wie Vladimir Jurowski, Marek Janowski, Kurt Masur, Michael Sanderling, Alexander Shelley und Yuri Bashmet zusammen. Auf bedeutenden Festivals wie dem Schleswig-Holstein Musik Festival, dem Luzern-Festival, dem Verbier-Festival und den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern war sie im Rahmen zahlreicher Soloabende und Kammermusikkonzerte zu Gast. Konstanze von Gutzeit spielt ein Violoncello von Gioffredo Cappa aus dem Jahre 1677 sowie einen Neubau des Berliner Instrumentenbauers Ragnar Hayn aus dem Jahr 2017.

Annette Gerlach

Die gebürtige Berlinerin lebt und arbeitet seit ihrer Studienzeit in Frankreich. Nach einem Wirtschaftsstudium begann sie ihre journalistische Karriere bei dem französischen Wochenmagazin Le Nouvel Observateur in Paris. 1992 wechselte sie zu dem damals neu gegründeten europäischen Kulturkanal ARTE in Strasbourg. Seit 25 Jahren moderiert sie zweisprachig die Nachrichten von ARTE. Parallel dazu leitete und präsentierte sie von 2004 bis 2010 ARTE Kultur, das Kulturmagazin des Senders. Darüber hinaus berichtet Annette Gerlach in Liveübertragungen von renommierten Kulturveranstaltungen aus aller Welt. Prominente Beispiele der letzten Jahre sind die Wiederöffnungen der Opern von Barcelona und Venedig (Gran Teatre del Liceu und Teatro La Fenice), die Festivals von Avignon und Savonlinna, die Salzburger und Bayreuther Festspiele, die Filmfestspiele von Cannes und Berlin auf ARTE. Sie ist außerdem für die Entwicklung von Educ‘ARTE in Deutschland verantwortlich, einem Online-Tool für Schulen. Annette Gerlach moderiert regelmäßig Veranstaltungen für den Europarat, das Europäische Parlament und andere Institutionen und Verbände. Diese Erfahrungen machen sie auch sie zu einem geschätzten Rhetorik-Coach. 2020 moderierte sie das vom Sender ARTE ausgestrahlte Neujahrskonzert der Berliner Philharmoniker. Beim RSB war sie zuerst 2012 zu Gast, um ein vorweihnachtliches Konzert zu moderieren.

Das RSB in der Philharmonie Berlin, Foto: Peter Meisel

RSB-Abendbesetzung

Violine 1

Wolters, Rainer
Nebel, David
Herzog, Susanne
Yoshikawa, Kosuke
Neufeld, Andreas
Bondas, Marina
Drechsel, Franziska
Kynast, Karin
Tast, Steffen
Pflüger, Maria
Morgunowa, Anna
Feltz, Anne
Polle, Richard
Behrens, Susanne
Scilla, Giulia
Kang, Jiho

Violine 2

Contini, Nadine
Simon, Maximilian
Drop, David
Petzold, Sylvia
Seidel, Anne-Kathrin
Draganov, Brigitte
Eßmann, Martin
Manyak, Juliane
Hetzel de Fonseka, Neela
Bauza, Rodrigo
Färber-Rambo, Juliane
Bara, Ania
Palascino, Enrico
Marquardt, David

Viola

Rinecker, Lydia
Adrion, Gernot
Silber, Christiane
Zolotova, Elizaveta
Markowski, Emilia
Drop, Jana
Doubovikov, Alexey
Montes, Carolina
Inoue, Yugo
Yoo, Hyelim
Burmeister, Daniel
Moon, Inha

Violoncello

von Gutzeit, Konstanze
Riemke, Ringela
Weiche, Volkmar
Albrecht, Peter
Boge, Georg
Weigle, Andreas
Bard, Christian
Kipp, Andreas
Kalvelage, Ann
Kim, Jean

Kontrabass

Wömmel-Stützer, Hermann
Wagner, Marvin
Figueiredo, Pedro
Rau, Stefanie
Schwärsky, Georg
Buschmann, Axel
Ahrens, Iris
Gazale, Nhassim

Flöte

Schaaff, Ulf-Dieter
Döbler, Rudolf
Kronbügel, Annelie

Oboe

Bastian, Gabriele
Grube, Florian
Vogler, Gudrun
Herzog, Thomas

Klarinette

Link, Oliver
Pfeifer, Peter

Es-Klarinette

Pfanzelt, Barbara

Saxophon

Elßner, Karola
Krullmann, Maike

Fagott

You, Sung Kwon
Königstedt, Clemens
Gkesios, Thomas

Horn

Kühner, Martin
Holjewilken, Uwe
Stephan, Frank
Hetzel de Fonseka, Felix

Trompete

Dörpholz, Florian
Niemand, Jörg
Hofer, Patrik

Posaune

Hölzl, Hannes
Hauer, Dominik
Lehmann, Jörg

Tuba

Neckermann, Fabian

Harfe

Edenwald, Maud

Schlagzeug

Tackmann, Frank
Thiersch, Konstantin
Schweda, Tobias
Azers, Juris
Dölling, Matthias
Reddemann, Ingo

Pauke

Eschenburg, Jakob

Klavier/Celesta

Gneiting, Heike

Laute

Arend, Andreas

Banjo/Gitarre

Gehlmann, Johannes

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216 Seiten
ISBN: 978-3-8260-7920-7

Kooperation

Bildrechte

Portrait Annette Gerlach © ARTE

Portrait Simone Lamsma © Otto van den Toorn

Bilder Orchester und Vladimir Jurowski © Peter Meisel

Bild Konstanze von Gutzeit © Robert Niemeyer

Bild Katharine Mehrling © Stefan Maria Rother

Orchesterbild Futurium © Astrid Ackermann