Digitales Programm

Do 25.05. Kammerkonzert

19:30 Kühlhaus Berlin

 

Ludwig van Beethoven

Streichtrio c-Moll op. 9 Nr. 3

Hanns Eisler

Streichtrio op. 46

Pause

Wolfgang Amadeus Mozart

Divertimento für Streichtrio Es-Dur KV 563

 

Besetzung

Juliane Manyak, Violine

Andreas Willwohl, Viola

Konstanze von Gutzeit, Violoncello

Lara Faroqhi, Film

Die Idee und die Mitwirkenden

Das Berliner Kammermusikensemble „Lupo“ (gegründet von der RSB-Geigerin Juliane Manyak, geb. Wolf), spielt seit 2018 in unterschiedlichen Instrumentalkombinationen. Mit dem Bratscher Andreas Willwohl, ehemaliger Solobratscher des RSB (2001-2011), verbinden Juliane Manyak seit vielen Jahren verschiedene kammermusikalische Aktivitäten. Das Ensemble wird seit 2022 durch Konstanze von Gutzeit ergänzt. Sie ist seit 2012 Solocellistin des RSB. Die Freude am gemeinsamen Musizieren erwächst bei den Mitgliedern dieses Streichtrios aus der tiefen Bereitschaft, einen gemeinsamen Atem zu finden. Darüber hinaus treibt die Musizierenden die Neugierde fürs Experimentelle an; immer wieder werden Projekte auch in neuen Kontexten realisiert.

Der Film von Lara Faroqhi „Und setze mich nieder im Regen zu den andern“ zitiert Szenen aus Slatan Dudows und Bertolt Brechts Film „Kuhle Wampe“ (1932) sowie dem Experimentalfilm „Regen“ von Joris Ivens (1929/1941), zu denen Hanns Eisler jeweils die Musik komponierte. In Lara Faroqhis Zeichnungen mischen sich Zitate aus den Filmen in loser Folge mit Ansichten des gegenwärtigen Berlins. Dazu sind Eislers Stationen der Emigration festgehalten, die aus einer handschriftlichen Notiz seiner Frau Lou Eisler stammen.

WERKEINFÜHRUNGEN von Steffen Georgi

Ludwig van Beethovens

Streichtrio c-Moll op. 9 Nr. 3

Öffentlicher Disput zu dritt – Ludwig van Beethovens op. 9

Kammermusikwerke für eine ungerade Zahl von Mitwirkenden – Trios, Quintette, Septette – stehen quantitativ hinter Duosonaten und Quartetten, selbst hinter Sextetten und Oktetten generell zurück. Hat dies möglicherweise mit Grundmustern der Kommunikation und der zwischenmenschlichen Beziehungen überhaupt zu tun? Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Und wer möchte in die Harmonie eines Quartetts eindringen, ohne fünftes Rad am Wagen zu sein?

Für den Musiker Beethoven kam eine Konversation in unverbindlichem Plauderton so gut wie nicht in Frage. Das hatte Folgen für seinen prinzipiellen Anspruch an Musik als Botschaft, für die Wahl der Gattungen und Besetzungen wie für seinen gesamten Kompositionsstil. 1795 entschloss er sich, als Opus 1 ein dreiteiliges Paket von Klaviertrios zu veröffentlichen. Das Klavier als klangmächtiger Moderator eines geistreichen Dialoges zweier unterschiedlicher Charaktere von Streichinstrumenten. Das war etwas völlig anderes als eine Triosonate spätbarocker Prägung oder gar eine unterhaltsame Tafelmusik. Noch Haydn hatte mit dem damals in Wien sehr populären „Baryton-Trio“ (der Kaiser persönlich spielte das Baryton, ein zart klingendes, tiefes Streichinstrument mit zusätzlichen Resonanzsaiten) eine reizvolle Form des Trialogs dreier Streichinstrumente etabliert. Dann nahm Beethoven die Herausforderung an, nur für Streichinstrumente zu schreiben und sie zugleich mehr sagen zu lassen als nette Unterhaltung. Drei seiner Opuszahlen sind Streichtrios vorbehalten: op. 3, op. 8, op. 9 – wobei sich hinter der letzten Zahl drei komplette Werke verbergen.

Hier spielt die Musik

Die Arbeit an den drei Streichtrios op. 9 (G-Dur, D-Dur, c-Moll) begann Beethoven schon 1796. Kurz bevor er am 16. März 1798 mit dem Verlag Breitkopf & Härtel ihren Druck vereinbarte, hatte er die Partituren beendet. Die drei, neuen Ufern zustrebenden Werke sind einem vermögenden Mäzen gewidmet, dem Grafen Johann Georg von Browne-Camus. Sie verlassen entschieden letzte Bastionen der Konvention und der Konversation, geraten ihrem 27-jährigen Erfinder zu tiefer poetischer Ausdruckskunst. Solche Musik lässt sich, „nebenbei“ gehört, kaum mehr ertragen, geschweige denn gedanklich erfassen. Beethoven verlangt ungeteilte Aufmerksamkeit. Seine musikalischen Persönlichkeiten agieren gleichberechtigt und souverän auf anspruchsvollem, kunstfertigem Niveau. Das soll niemandem verborgen bleiben, weder dem ausübenden Musiker noch dem zuhörenden Adressaten.

Die jeweils viersätzigen Trios spielen mit verschiedenen Satztypen, befestigen dabei das inhaltlich potente, klassische Formmodell des Sonatenhauptsatzes und entfernen sich meilenweit von den unverbindlichen Serenaden der jüngsten Vergangenheit.

Kontrastreiche Einzelsätze, polyphone Raffinesse, expressive Verdichtung zeugen von der selbstbewussten Kraft eines „jungen Löwen“. Im Kleinen wie im Großen denkt Beethoven hier bereits zyklisch. Er gestaltet die beiden Trios in G-Dur und in D-Dur wie zwei Wege, die jeder für sich zur geballten Wucht des c-Moll-Trios hinführen.

Aufbäumen in c-Moll

Ein kategorischer Gestaltungswille namentlich im Trio op. 9 Nr. 3 zeigt den Komponisten als provokanten Querkopf von hochfahrend-stürmischer Leidenschaftlichkeit. Nicht selten tun sich in diesem Werk, das bereits in der „Beethoven-Tonart“ c-Moll steht, Abgründe auf, die vorausweisen auf die selbstzerstörerische Wucht seiner Emotionalität. Heftig und konzentriert das Allegro con spirito, Adagio con espressione und Scherzo als lyrische Innen- und rastlose Außenseite ein und desselben Charakters, wirbelnde Turbulenz unvermittelt neben disziplinierter Polyphonie im Presto-Finale. Der allerletzte Schluss offenbart den Schelm hinter dem Heißsporn: C-Dur, pianissimo.

So wie Haydns Baryton-Trios eigenständig neben seiner Streichquartettkunst existierten, waren Beethovens Streichtrios keine verschämten Vorläufer von dessen Streichquartetten. Sie prägten eine substanzreiche Form des Gesprächs zu dritt, mit all seinen Möglichkeiten: Zustimmung und Widerspruch, mal zwei zu eins, mal eins zu zwei, mal eins zu eins zu eins, mal drei zu null. Das sind freilich Prinzipien, die ohne weiteres auch aufs Quartett sich anwenden lassen – ohne das Trio dabei zu beschädigen. Beethoven nahm der Gattung Streichtrio ihre divertimentohafte Unschuld. Aber besaß sie die tatsächlich noch? Wer solches behauptet, scheint Mozarts Werk mit der Köchelverzeichnisnummer 563 nicht zu kennen!

Hanns Eisler

Streichtrio op. 46

Eislers Musik: „Aussichten einer neuen Welt, die sich eben bildet“

Bertolt Brecht

Die meisten wissen von Hanns Eislers Musik nur vom Hörensagen. Für viele ist er eine gesellschaftliche Attraktion, ein brillanter und witziger Kopf, ein Mann von weiter Kultur. Für manche ist er der gefährliche Kommunist, der der DDR eine Nationalhymne komponiert hat. Luciano Berio sagt 1988: „Eislers Musik war von Grund auf dumm.“ Dagegen Bertolt Brecht: „Eisler musiziert ebenso naiv und ebenso konstruktiv wie die anderen großen Komponisten des 18. und 19. Jahrhunderts, deren Werk er fortsetzt. Das gesellschaftliche Verantwortungsgefühl ist bei ihm lustvoll in höchstem Maße. Er schöpft seine Texte nicht einfach aus, er behandelt sie und gibt ihnen, was des Eislers ist. Aber so eigenwillig, unverkennbar, überraschend er sein mag, er ist kein Einzelgänger. In sein Werk eintretend übergebt Ihr Euch den Antrieben und Aussichten einer neuen Welt, die sich eben bildet.“

Hanns Eisler wurde am 6. Juli 1898 in Leipzig als Sohn des österreichischen Philosophen Rudolf Eisler und seiner Frau Marie Ida, geb. Fischer, geboren. Die Familie übersiedelte 1901 nach Wien. 1919 begann Hanns Eisler einen vierjährigen Kompositionsunterricht bei Arnold Schönberg, über den er in einem Gespräch mit Nathan Notowicz sagte: „Dann lernte ich bei Schönberg etwas, was heute gar nicht mehr richtig verstanden wird: Redlichkeit in der Musik, Verantwortlichkeit in der Musik und das Fehlen von jeder Angeberei. Diese unerbittliche Strenge, dieses Streben nach musikalischer Wahrheit, [...] ist der größte Eindruck meines Lebens gewesen.“ 1925 ging er nach Berlin. Eisler nahm politisch Haltung an wie sein Freund Bertolt Brecht: Er leitete Arbeitersängerchöre und schrieb Chorwerke und Lieder im Agitpropstil. Wegen seines politischen Engagements kam es zum Bruch mit Schönberg. 1933 musste Eisler wie viele Künstler Deutschland verlassen und ging ins US-amerikanische Exil. Mangels ästhetischer Anpassungsbereitschaft vermochte er als Filmkomponist in Hollywood nicht wirklich Fuß zu fassen.

Allerdings war das Haus der Eislers am Strand von Malibu ein Zentrum der Exilanten und vieler amerikanischer Intellektueller: Charlie Chaplin, Thomas Mann, Arnold Schönberg, Orson Welles, Theodor W. Adorno, Ava Gardner, Greta Garbo und viele andere waren gern und regelmäßig bei Lou und Hanns Eisler zu Gast.

Kurz nach Ende des Krieges fokussierte die eben noch antifaschistische US-Außenpolitik einen neuen Feind: den Kommunismus. Der Kalte Krieg begann 1946 mit der Arbeit des Kongress-Ausschusses für Unamerikanische Tätigkeit (House Un-American Activities Committee = HUAC). Ausgerechnet Eislers Schwester Ruth Fischer denunzierte ihre beiden Brüder Gerhart und Hanns Eisler in pathologischer Art und Weise als Agenten der Komintern. Der Untersuchungsausschuss, u.a. mit Richard M. Nixon, verhörte Eisler daraufhin mehrfach. Der leitende Ermittler, Robert Stripling, schrie es bald heraus: „Die Absicht ist zu zeigen, dass Herr Eisler der Karl Marx des Kommunismus auf dem Gebiet der Musik ist und das sehr wohl weiß.“ – Darauf Eisler trocken: „Es würde mir schmeicheln.“ Heftige Interventionen u.a. von Charlie Chaplin, Thomas Mann, Albert Einstein, Pablo Picasso, Henri Matisse, Jean Cocteau, Paul Eluard, Igor Strawinsky, Leonard Bernstein, Aaron Copland und Roger Sessions konnten Eislers Vertreibung nicht verhindern. Der Ausweisung aus den USA konnte er nur zuvorkommen, indem er freiwillig aus dem Land ging, das ihm einst Schutz vor den Nazis gewährt hatte.

Streichtrio auf B-A-C-H

Das knapp fünfminütige Streichtrio, komponiert 1934, sequenziert das Motiv aus den Tonbuchstaben des Namens B-A-C-H innerhalb einer Zwölftonreihe. Eisler bezeichnet das Werk als eine „Studie über eine Zwölftonreihe“, jedoch ganz ohne auftrumpfenden Intellektualismus. Obwohl das Trio eine seiner reinsten Zwölftonkompositionen mitsamt polyphoner Dichte und strenger thematischer Arbeit ist, teilt sich die Musik vergleichsweise unmittelbar mit – nicht zuletzt wegen des bekannten und viel zitierten B-A-C-H-Motivs. Eisler veröffentlicht das Trio innerhalb einer Sammlung, die er „Pädagogische Musik“ nennt, er möchte „jungen Musikern beweisen, dass man mit der Zwölftontechnik in einer einfachen, leicht verständlichen Weise musizieren kann.“ In einer Einleitung zu dem Trio legt der Komponist dar, mit welchem Verständnis er Kindern gegenübertritt, welche künstlerischen Ansprüche er Kindern zutraut und was Lernen mit Vergnügen zu tun haben kann. „Aus der neueren Pädagogik wissen wir, dass das Kind nicht so ‚kindisch‘ ist, wie es der Erwachsene glaubt … Selbstverständlich soll das Lehren und Erlernen von musikalischer Logik nicht in einer trockenen und didaktischen Weise geschehen, sondern in einer alle Ausdrucksmittel der Musik enthaltenden Weise. Es wurde sogar besonderer Wert auf das Amüsante gelegt, da das für die Pädagogik besonders wichtig ist ...“ (Eisler, 1936)

Als Schüler von Arnold Schönberg wusste Hanns Eisler um die prinzipielle Dissonanzenhaftigkeit der Zwölftonmusik. Doch zunehmend kamen Alban Berg, Eisler und schließlich Schönberg selber Zweifel an dieser selbstgewählten Abgrenzung von nahezu aller älteren Musik. Eisler entwickelte daraus 1936 zwei neue Forderungen: 1. „zu untersuchen, ob die Methode der Zwölftonkomposition eine neuartige Konsonanzbehandlung ermöglicht“ und 2. – aus der Vokalmusik abgeleitet –, ob diese Methode „für alle Arten des Musizierens brauchbar“ ist. Entscheiden Sie selbst anhand des Streichtrios!

Wolfgang Amadeus Mozart

Divertimento für Streichtrio Es-Dur KV 563

KV 563 – Mozarts heimliches Streichtrio

Mozarts einziges Streichtrio heißt „Divertimento“, ja es verbirgt sich förmlich hinter diesem harmlosen Begriff. Der italienische Name Divertimento bedeutet „Vergnügen“. Ob nun Serenade, Notturno, Cassation oder eben Divertimento: Derartige mehrsätzige Instrumentalstücke waren beliebt, als kurzweilige Ständchen zur Huldigung von Personen, als „Finalmusik“ bei Universitätsabschlussfeiern und ähnlichen Gelegenheiten. Solche Divertimenti oder Serenaden wurden oftmals bei Abenddämmerung in Anwesenheit eines großen Publikums vor dem Haus der zu ehrenden Person gespielt. Dabei fing das Konzert nicht erst am mit Fackeln erhellten Aufführungsplatz an, sondern begann bereits mit einem Marsch, den die Musiker auf dem Weg auswendig spielten und beliebig wiederholten.

Mehr als ein Quartett, nicht weniger

Das Divertimento KV 563 hat wenig Grund zum Feiern. Mozart schrieb es 1788 in Nachbarschaft der drei letzten Sinfonien. Wie diese entstand es ohne Anlass, ohne Auftrag, ohne Hoffnung auf Bezahlung. „... ein Trio – das vollendetste, feinste, das je in dieser Welt hörbar geworden ist ...“, so nannte es der Mozart-Biograph Alfred Einstein.

Und er übertreibt nicht, geht nur gegen die Unterschätzung an, die Mozarts fünfundvierzigminütigem Streichtrio oft widerfährt, einerseits wegen seiner harmlosen Bezeichnung „Divertimento“, andererseits, weil es eben kein verhindertes Streichquartett ist, sondern ein vollgültiges und absichtsvolles Werk.

Allegro

Lapidarer könnte die Anfangsgeste nicht daherkommen: ein einfacher Es-Dur-Dreiklang abwärts, unisono von allen drei Partnern gespielt. Doch schon die beiden Themen des so schwerelosen wie komplexen Eröffnungsallegros reißen die Himmel auf. Das Hauptthema gehört dem alten Typus des Fortspinnungsthemas an. So beginnen barocke Arien und Fugen.

Das zweite Thema hingegen schwärmt von der Jugend, von der Moderne, von der Schönheit. Es singt und jubelt, ist dem Liedtypus etwa der Romanze des d-Moll-Klavierkonzertes KV 466 nahe. Mit leichter Hand führt Mozart in der Durchführung die hochentwickelte kontrapunktische Kunst Bachs und die klassisch-homophone Formvollendung ideal zueinander. Fasziniert vernimmt der aufmerksame Hörer, wie eine schlichte Liedmelodie streng kanonisch behandelt werden kann und wie ein herber Barockgedanke anmutig aufgelichtet klingt. Ein Mozartsches Wunder.

Adagio

Der Sturz könnte nicht tiefer sein. Das Adagio entzieht sich jeder profanen Einordnung. Wieder ist es ein unschuldiger Es-Dur-Dreiklang, der den Satz einleitet, diesmal aufsteigend aus der Bassregion. Doch die emotionale Spannung weist in die entgegengesetzte Richtung, ins Bodenlose. Der Dreiklang, zugleich Kopfmotiv des Hauptthemas, scheint mit welker Hand von unten her zu winken: Komm! Gib auf, lass ab vom Weltgetümmel! Das innige Thema dient dem lyrischen Sonatensatz, der mit zehn Minuten so lang dauert wie manches ganze Werk, als Gefäß für schiere Einsamkeit und Weltabgeschiedenheit. Weit geschwungene Violinkantilenen zwischen extremen Intervallsprüngen und über unerbittlichem Basspochen bilden die Substanz des Themas.

Doch wenn die Melodie immer wieder in die Tiefe wandert und das Basspochen zu dissonanter harmonischer Ausweglosigkeit sich verknäuelt, dann scheint die Zeit stillzustehen. Von der Bestürzung vermag sich der gesamte Satz nicht frei zu machen, zumal auch noch häufige Generalpausen ans Herz greifen, es förmlich zum Stocken bringen. Beklemmung kann kaum beredteren Ausdruck finden als in diesem Adagio.

Menuett I

Trotzig und beherzt holt die Auftaktfigur des ersten Menuettes das Geschehen zurück auf den Tanzboden der Gegenwart. Anmut und Esprit versöhnen die Gegensätze zwischen alt und neu, zwischen vornehm-steif und ungestüm-vital. Doch albern ist diese Musik nicht. Ihre Heiterkeit wahrt immer wohltuend Distanz zu allem Derb-Dreisten. Und das Trio gibt eine Ahnung von den schwarzen Schatten, unter denen sich dieser elegante Tanz vollzieht.

Andante

Mozart litt wahrlich keinen Mangel an melodischen Einfällen. Dennoch ließ er im Streichtrio einmal einem Volkslied den Vortritt. Das Andante lebt vom schlichten „Zu Landshut bei den Musikant“ aus dem Schweizer Kanton Bern. Unisono und original steht es am Anfang. Verspielt, beiläufig beginnt Mozart, es zu variieren. Ohne Ehrgeiz driftet das schlichte Thema in hohe Regionen musikalischer Verarbeitungskunst. Allmählich gewinnt in diesem einfachen Lied eine raffinierte, polyphone Stimmführung die Oberhand. Die Mollvariation, das Minore (in b-Moll!), führt schließlich alle Stimmen gleichberechtigt und im dreifachen Kontrapunkt der Oktave zusammen. Die nächste Variation scheint nachträglich über die Idee zu kichern, wäre da nicht das schwer ächzende, doppelt verlangsamte Thema mitzuschleppen … Mit wenigen unschuldigen Schlusstakten löst Mozart den Spuk auf.

Menuett II

Das zweite Menuett ist mit zwei Trios ausgestattet. Mozart komponiert, als hätte er alle Zeit der Welt. Wenn das Menuett I mit einer beherzten Dreitonfigur nach oben startete, so leitet eine charmante Dreitonabwärtsgeste das gegenrhythmisch betonte Menuett II ein. Das erste der beiden Trios atmet wienerische Heurigenseligkeit, nimmt den Ländlerton Franz Schuberts vorweg. Es ist frappierend, wie Mozart durch winzige Abwandlungen das Interesse selbst an dem formbedingt sehr oft wiederholten Menuettthema wachhält.

Finale. Allegro

Ja, es ist ein Rondo, das Finale. Aber was für ein zusammenfassendes für das gesamte Werk! Liedhafte Melodien prägen sich mit kleinen Unregelmäßigkeiten ins Gedächtnis wie mit winzigen Widerhaken. Polyphone Strecken bis hin zum ordentlichen Fugato verduften in einer von der „Sehnsucht nach dem Frühling“ getränkten Luft. Komm, lieber Mai, und mache die Bäume wieder grün! So singt das Ritornell in Anlehnung an das zum Volkslied gewordene Mailied Mozarts und schenkt der Menschheit eine Ahnung von Hoffnung und Glück. Nicht dass all die Verbrechen und der Leerlauf unserer Welt ungeschehen wären, aber Mozarts Streichtrio, ein so schwereloses wie erhabenes Werk, holt das Lächeln zurück, selbst auf die zerfurchtesten Gesichter.

Es ist dieses Divertimento, das dem jungen Ludwig van Beethoven den entscheidenden Anstoß gab, eigene Streichtrios zu komponieren. Denn er war einer der wenigen Musiker seiner Zeit, welche die außerordentliche Größe und Schönheit von Mozarts Divertimento erkannten. Mozart hat das Werk im Alter von 32 Jahren komponiert. Zu dieser Zeit war er in mehrfacher Hinsicht fast am Ende, finanziell, privat, gesundheitlich. Ohne feste Einkünfte stand er da – nach Wunderkindheit und fast achtundzwanzig „Berufsjahren“. Drei Jahre verblieben ihm noch zu leben.

Abendbesetzung

Juliane Manyak

Juliane Manyak, geboren 1980 begann das Geigenspiel im Alter von vier Jahren. Während ihrer Ausbildung war sie bereits Mitglied in nationalen, wie internationalen Jugendorchestern, u.a. dem Bundesjugendorchester und dem Gustav Mahler Jugendorchester.

Juliane Manyak absolvierte ihr Studium an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin.

Seit 2004 ist sie dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin als Mitglied der Zweiten Violinen verbunden. Nebenbei setzt sie sich mit großer Begeisterung für die Kammermusik ein und ist in verschiedenen Besetzungen und Formaten zu hören. Im Jahr 2020 gründete sie gemeinsam mit Martin Eßmann, Andreas Willwohl und Georg Boge das Quartetto Lupo.

Außerdem engagiert sie sich innerhalb des Orchesters intensiv im Bereich der Musikvermittlung und gestaltet diverse Projekte, Workshops und Konzerte mit Kindern aller Altersstufen. Inspiriert durch ihre regelmäßige Mitwirkung in der Konzertreihe „Rapauke macht Musik“ veröffentlichte Juliane Manyak 2019 ihr erstes Kinderbuch „Mit Rapauke im Land der Musikinstrumente“, erschienen im Verlagshaus Jacoby&Stuart.

Andreas Willwohl

Andreas Willwohl © Andreas Willwohl

Andreas Willwohl gehört heute zu den führenden Bratschisten seiner Generation. Ausgebildet von Alfred Lipka an den Musikhochschulen „Franz Liszt“ in Weimar und „Hanns Eisler“ in Berlin, erhielt er wichtige künstlerische Impulse durch Wilfried Strehle, das Alban Berg Quartett, Norbert Brainin, Eberhard Feltz und Kim Kashkashian. Er gewann Preise beim Concours International de Bordeaux (2002) sowie bei der Sommerakademie Mozarteum Salzburg (2008).

Als Bratschenvirtuose und Kammermusikpartner ist Andreas Willwohl international hoch geschätzt. Er war Gast bei vielen internationalen Musikfestspielen, wie der Schubertiade Schwarzenberg, dem Schleswig Holstein Musikfestival sowie den Salzburger Festspielen und konzertierte unter anderem mit Thomas Brandis, Johannes Moser, Wolfgang Emanuel Schmidt, Julian Steckel, Simone Bernardini, Nobuko Imai, Patrick Gallois, Marc-André Hamelin, Lauma Skride und Daniel Heide.

Andreas Willwohl spielt auf einer Viola von Stefan Peter Greiner mit einem Bogen von Dominique Peccatte.

Konstanze von Gutzeit

Geboren in eine Musikerfamilie, begann Konstanze von Gutzeit mit dem Cellospiel im Alter von drei Jahren. Ihre Studien absolvierte sie ab dem dreizehnten Lebensjahr bei Heinrich Schiff in Wien, später bei Jens Peter Maintz in Berlin und Wolfgang Emanuel Schmidt in Weimar.

Seit 2012 hat Konstanze von Gutzeit die Position als Solocellistin des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin inne. Darüber hinaus ist sie international als Solistin und Kammermusikerin aktiv. Sie konzertierte mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, den Bochumer Sinfonikern, dem Wiener, Münchner und Stuttgarter Kammerorchester, der Kammerakademie Potsdam, dem Bruckner-Orchester Linz und vielen anderen. Dabei arbeitete sie mit Dirigenten wie Kurt Masur, Vladimir Jurowski, Michael Sanderling, Marek Janowski, Alexander Shelley und Yuri Bashmet zusammen. Auf  Festivals wie dem Schleswig-Holstein Musik Festival, dem Lucerne Festival, dem Verbier Festival und den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern war sie im Rahmen zahlreicher Rezitale und Kammermusikkonzerte zu Gast.

Konstanze von Gutzeit spielt ein Violoncello von Gioffredo Cappa aus dem Jahre 1677 sowie einen Neubau des Berliner Instrumentenbauers Ragnar Hayn aus dem Jahr 2017.

Lara Faroqhi

Lara Faroqhi lebt als bildende Künstlerin in Berlin. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Malerin am Central Saint Martins in London und zur Bildhauerin an der Kunsthochschule Weißensee. Ihr gegenwärtiger künstlerischer Schwerpunkt liegt auf der Zeichnung, ergänzt durch Ölmalerei und druckgrafische Techniken. Der thematische Fokus liegt auf der Erfassung flüchtiger, fragiler Prozesse. Seit 2015 führt Faroqhi verschiedene Kollaborationen mit Musike:innen des Radio-Sinfonieorchesters Berlin (RSB) durch. In Zusammenarbeit mit der Geigerin Juliane Manyak vom RSB sind in den letzten Jahren eine Reihe von Videos und Animationen, siebdruckgrafische Arbeiten und ein gemeinsames Kinderbuch entstanden.

Bild- und Videoquellen

Portrait Juliane Manyak © Bettina Stöß

Portrait Andreas Willwohl © Andreas Willwohl

Portrait Konstanze von Gutzeit © Bettina Stöß

Portrait Lara Faroqhi © Loredana Nemes

Konzertbilder Kühlhaus © Peter Meisel

Fassade Kühlhaus © Kühlhaus Berlin