Digitales Programm

So 25.02. Matthias Pintscher

20:00 Philharmonie

Richard Wagner

„Siegfried-Idyll“ für Kammerorchester WWV 103

Peter Eötvös

Konzert für Harfe und Orchester

Pause

Claude Debussy

„Prélude à l’après-midi d’un faune“ für Orchester
„Ibéria“ aus „Images“ für Orchester

Besetzung

Matthias Pintscher, Dirigent

Xavier de Maistre, Harfe

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin

Das Konzert wird am 27.02.2024 20.03 Uhr auf Deutschlandfunk Kultur übertragen.
Konzerteinführung: 19.10 Uhr, Südfoyer, Konzerteinführung von Helge Grünewald

Podcast "Muss es sein?"

Richard Wagner

„Siegfried-Idyll“ für Kammerorchester WWV 103

Tönende Hingabe

Eine Flöte, eine Oboe, zwei Klarinetten, ein Fagott, zwei Hörner, eine Trompete und Streicher. Diese für Richard Wagner ungewöhnlich kleine Besetzung aus Züricher und Luzerner Musikern stellte sich am Morgen des 25. Dezember 1870 im Treppenhaus der Villa Am Rhyn in Tribschen auf und musizierte unter Wagners Mitwirkung (Trompete!) und Leitung jenes idyllische Ständchen, das später unter dem Namen „Siegfried-Idyll“ in die Musikgeschichte eingehen sollte. Doch zunächst war es nur der intime Gruß Wagners zum 33. Geburtstag seiner Frau Cosima.

Franz Liszts Tochter Cosima, die seit 1857 mit Hans von Bülow verheiratet war und zwei Töchter von ihm hatte, trat 1863 als Geliebte in Richard Wagners Leben ein. Auf Wagners Betreiben berief der bayerische König Ludwig II. Hans von Bülow, Cosimas Ehemann und Wagners Freund, 1864 nach München. Die Presse spottete über die Privatsphäre der beiden Musiker – gemeinsam wehrten sie einen Skandal ab. Seit 1867 lebte Cosima mit Wagner in der Villa der Patrizierfamilie Am Rhyn in Tribschen bei Luzern zusammen, 1868 dirigierte Bülow die Münchner Uraufführung der „Meistersinger“ und verhalf Wagner zum bis dahin größten Erfolg.

Nach der Geburt von Siegfried Wagner, des dritten Kindes und einzigen Sohnes von Cosima, resümierte Bülow 1869: „Das Gebäude meiner Hörner ist somit auf die glänzendste Weise gekrönt worden.“ Resigniert willigte er in die Scheidung ein. Cosima und Richard Wagner heirateten im April 1870.

Vor diesem Hintergrund lässt sich ermessen, weshalb Wagner die lang entbehrte Idylle gemeinsamen Glückes mit einer Komposition besingen musste. Cosima hütete das Werk als ihr „süßes Geheimnis“ über viele Jahre, von dem ihr noch 1874 „schrecklich (gewesen) wäre, es der Öffentlichkeit hingeliefert zu sehen“. Doch 1877 zwangen einmal mehr finanzielle Sorgen Richard Wagner, die von den Kindern respektlos „Treppenmusik“ genannte Komposition einem Verlag zu übergeben. „Das Idyll geht heute ab, der geheimnisvolle Schatz wird zum Gemein-Gut, möge die Freude der Menschen daran dem Opfer gleichkommen, das ich bringe“, notierte Wagner zerknirscht am 19. November.

Er gab dem „Siegfried-Idyll“ ein selbstverfasstes Gedicht bei, das den Stolz auf den Stammhalter der Familie in die Liebeserklärung an Cosima mit einbezieht.

Es war Dein opfermuthig hehrer Wille,
Der meinem Werk die Werdestätte fand,
Von Dir geweiht zu weltentrückter Stille
Wo nun es wuchs und kräftig uns erstand,

Die Heldenwelt uns zaubernd zum Idylle,
Uraltes Fern zu trautem Heimathland.
Erscholl ein Ruf da froh in meine Weisen:
‚Ein Sohn ist da!’ – der musste Siegfried heißen.

Für ihn und Dich durft’ ich in Tönen danken, –
Wie gäb’ es Liebesthaten hold’ren Lohn?
Sie hegten wir in uns’res Heimes Schranken,
Die stille Freude, die hier ward zum Ton.

Die sich uns treu erwiesen ohne Wanken,
So Siegfried hold, wie freundlich uns’rem Sohn,
Mit Deiner Huld sei ihnen jetzt erschlossen,
Was sonst als tönend Glück wir still genossen.

Das „Siegfried-Idyll“ scheint mit seiner lyrisch-verinnerlichten Faktur auf den musikalischen Impressionismus vorauszuweisen. Jedenfalls dürften sich auch jene Musikfreunde gern davon bezaubern lassen, denen Wagners Musikdramen ansonsten eher fern stehen. Das thematische Material geht zurück auf Skizzen zu einem Streichquartett, das Wagner in den ersten acht glücklichen Tagen mit Cosima 1864 am Starnberger See begonnen hatte. Vor allem aber ist es eng verwoben mit dem 3. Aufzug der Oper „Siegfried“.

„Jetzt lock ich ein liebes Gesell!“

Auf einem feuerumloderten Felsen wartet seit einer Generation Brünnhilde auf den Furchtlosen. Um zu ihr zu gelangen, muss er den Flammenwall bezwingen. Wagner ist in seinem Element, es wabert die Lohe von zweiunddreißig Geigen, es stieben die Funken aus sechs Harfen. Schließlich, in aufsteigenden Violingirlanden, verlischt das Feuer.

Vorsichtig nähert sich der Recke der schlafenden Gestalt. Walkürenritt und Wotans Abschied, Schicksal und Schwert – die Motive stehen Spalier – sind genauso neugierig wie Siegfried selbst. Siegfried vermutet einen Krieger, lüftet den Panzer. Und erkennt das Weib. Er, der noch nie eine Frau gesehen hat. Was nun? Der Recke fleht nach der Mutter und lernt das Fürchten! Doch Siegfried nimmt sich vor zu lieben, „sollt’ ich auch ster­bend vergehn!“ Sein Eros weiß, dass er sich von den Banden der Furcht wieder lösen muss, die ihm die Gegenwart der Frau angelegt hat. Dazu wirft er alles in die Waagschale: Er will das Weib. Oder den Tod. Brünnhilde erschrickt vor so viel Ungestüm, sie fürchtet um ihre „Sinne, Weisheit und Wissen“, fürchtet, sich selbst zu verlieren im Akt der Hingabe: „Brünnhilde bin ich nicht mehr!“ Recht hat sie.

Doch Wagner wendet einen seiner raffiniertesten Tricks an: Er umgarnt die zaudernd Liebenden wie das verzückte Publikum mit einer berückend schönen Melodie. Im zarten Gespinst des just in diese Szene eingewobenen „Siegfried-Idylls“ lösen sich alle Ängste in Luft auf. Phantastische Oper und reales Leben verschmelzen: Das Geburtstagsgeschenk an die seit vier Monaten mit Richard offiziell verbundene Cosima vom 25. Dezember 1870 ist zugleich das innige Wiegenlied für den gemeinsamen Sohn Siegfried, der am 6. Juni 1869 das Licht der Welt erblickt hatte, zu einer Zeit also, als Cosima noch mit Hans von Bülow verheiratet war. Am 14. Juni war „Siegfried“ fertig komponiert, am 15. bat Cosima Bülow um die Trennung. Am 16. willigte der in die Scheidung ein.

Peter Eötvös

Konzert für Harfe und Orchester

Peter Eötvös – Voilà!

Eigentlich hätte er heute Abend am Pult des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin stehen sollen, Peter Eötvös, der Grand Seigneur der zeitgenössischen Komponisten, der außerdem ein ausgezeichneter Dirigent ist. Peter Eötvös ist am 2. Januar 2024 achtzig Jahre alt geworden und kann sich seinen Herzenswunsch leider nicht erfüllen, das neue Harfenkonzert, an dem er von 2022 bis 2023 komponiert hat, weltweit selbst aus der Taufe zu heben. Gesundheitliche Gründe haben ihn bewogen, alle geplanten Konzerte als Dirigent abzusagen. Wir bedauern es sehr, dass dieses späte RSB-Debüt von Peter Eötvös auf diese Weise nicht zustande gekommen ist. Umso mehr freuen wir uns, dass Matthias Pintscher, seines Zeichens selber ein hoch renommierter Komponist und Dirigent der internationalen Musikszene, die Aufgabe völlig unprätentiös übernommen hat. Pintscher ist für den verehrten Kollegen eingesprungen und wird das komplette Konzertprogramm, das Eötvös seinerzeit subtil zusammengestellt hat, unverändert dirigieren.

So findet das neue Harfenkonzert in Berlin seinen Platz zwischen Wagners „Siegfried-Idyll“ und zwei Werken von Claude Debussy – womit schon etwas über das Selbstverständnis und die ästhetische Einbettung von Peter Eötvös‘ Komposition gesagt ist. „Komponieren besteht für mich aus Verzauberung der Zuhörer durch Klang… Mich interessiert die Technik, mit der ich das Unglaubliche zum Klingen bringen kann.“ (Peter Eötvös)

Ein Leben für die Musik

Das Harfenkonzert, ein so virtuoses wie lichtes Werk, entstand im gemeinsamen Auftrag vom Orchestre Philharmonique de Radio France, dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, dem Orchestre de la Suisse Romande, der Casa da Musica Porto, dem Musikverein Wien und dem NHK Symphony Orchestra Tokyo. Die Uraufführung fand am 18. Januar 2024 in Paris statt, gefolgt von der deutschen Erstaufführung am heutigen Abend. Es schließen sich an: 2. März 2024, Genf; 18. Mai 2024, Porto; 4. Juni 2024, Wien; 25. Juni 2024, Tokio. Der Stellenwert von Peter Eötvös in der zeitgenössischen Musikszene wird nachdrücklich herausgestellt durch die Tatsache, dass allein im Monat Februar 2024 an verschiedenen Orten der Welt insgesamt zwölf Werke aus seiner Feder zur Aufführung kommen.

„Es ist ein Dreiklang aus Komposition, musikalischer Praxis und pädagogischem Enthusiasmus, der die faszinierend vielfältige Kreativität von Peter Eötvös speist. Er erhielt unterschiedlichste Anregungen im noch von Zoltán Kodály geprägten Budapest der 1950er-Jahre, bei Karlheinz Stockhausen und Bernd Alois Zimmermann im quirligen Köln der 1960er-Jahre, und nicht zuletzt in Paris, wohin ihn Pierre Boulez 1978 als musikalischen Leiter des neu gegründeten Ensemble Intercontemporain berief.

Es folgte eine beispiellose Karriere als Dirigent fast aller namhafter Orchester und Ensembles weltweit sowie eine Lehrtätigkeit als Professor an den Musikhochschulen Karlsruhe und Köln (dort als Nachfolger von Mauricio Kagel), verbunden mit der Gründung einer eigenen Nachwuchsakademie in Budapest.

Das musikalische Œuvre umfasst 13 Opern und eine Vielzahl weiterer Vokal- und Instrumentalkompositionen von großbesetzter Sinfonik bis zu aparter Kammermusik.“ (Christopher Peter, Boosey & Hawkes)

Das Ballett der Stare

Jedes der zahlreichen Solokonzerte von Peter Eötvös lebt in seiner eigenen Welt. Bisweilen erfindet Eötvös den Dialog zwischen Solisten und Orchester neu, baut elektronische Klangmittel ein, unternimmt stürmische Erkundungen des instrumentalen Theaters. Für das Harfenkonzert kehrt er 2023 zu den Gepflogenheiten des klassisch-romantischen Kanons zurück, zumindest formal. Die Harfe ist nicht eben reich gesegnet mit Solowerken, so dass jedes neue Harfenkonzert von den Meistern dieses Instrumentes mit Freude erwartet wird. „Allegro e felice“, flott, heiter, glücklich soll der erste Satz klingen, schreibt Pter Eötvös über die Partitur. „Xavier de Maistre ist sportlich und kann tanzen, das ist ein Aspekt des Porträts, das ich von ihm gemacht habe“, schmunzelt Peter Eötvös und ergänzt: „Ich finde, dass die meisten bestehenden Konzerte für Harfe sehr gut geschrieben sind.

Aber sie wagen sich kaum in die Modernität der letzten Jahrzehnte. Aus diesem Grund habe ich versucht, die Harfenstimme mit zeitgemäßen Elementen zu füttern und sie mit einem kleinen Orchester zu verbinden.“ Dem ersten Satz geht eine Kadenz der Soloharfe voraus, als ob sie mit Nachdruck sagen wollte: Hier bin ich, endlich aufgerückt in die erste Reihe!

Moderne Spieltechniken, darunter sogenannte „Bartók-Pizzikati“, Flageolettspiel mit den Obertönen und Klopfen auf das Holz des Resonanzkörpers bieten ein breites Spektrum an Möglichkeiten, den nahezu unbegrenzten Klangreichtum des Instrumentes auszukosten. Auch die sogenannte Skordatur, bei der mit Hilfe der Pedale alle Saiten des gesamten Instrumentes nach oben oder unten gestimmt werden können, verschafft vielfältige Möglichkeiten – bis hin zu Vierteltonreibungen.

Der Mittelsatz, „Hommage an Ravel“, erinnert daran, dass der französische Komponist die Harfe wie kein anderer vor ihm herausgestellt hat. Ungewöhnlich kraftvolle Klänge kennzeichnen den dritten Satz, der in freien Glissandi der Harfe gipfeln.

Gegen die Ordnung des Orchesters stellt der Solist zum Schluss eine Art Antikadenz. Peter Eötvös möchte „keine Akkorde, keine Melodie und kein Zitat“. Vielmehr schweben ihm freie Hin- und Herbewegungen der Hände vor, sozusagen „Brownsche Bewegungen der Töne, die unvorhersehbar und doch geheimnisvoll geordnet sind, vergleichbar einem Ballett der Vögel, die sich im Schwarm versammeln und wieder auseinanderfliegen“ (François-Gildas Tual)

Claude Debussy

« Prélude à l’après-midi d’un faune »

Ein Nachmittag, der Geschichte schrieb

Ein lüsterner Faun beobachtet badende Nymphen und Najaden an einem heißen Sommertag. Das ist alles. Aber wie der französische Komponist Claude Debussy den bocksfüßigen Kerl in der Sonne dösen lässt, während der träumend die kichernden Nymphchen zu jagen versucht, das ist buchstäblich kaum zu fassen: Nicht malend noch beschreibend nähert sich die Musik dem Text, sondern Stimmungen ausleuchtend, Düften nachsinnend, ins Licht blinzelnd.
Klang verzweigt sich, betört durch Behutsamkeit. Weder Form, Metrum oder Harmonien erinnern an Herkömmliches. Gleichwohl unterliegen sie einer natürlichen Logik. „Seit Debussys ‚Nachmittag eines Fauns’ atmet die Musik anders“, meinte Pierre Boulez.

Das „Prélude à l’après-midi d’un faune“ räumt gründlich auf mit einem jahrhundertealten Verdikt: Das Intervall des Tritonus ist nicht länger „Diabolus in musica“, sondern eröffnet den Weg für ein Nebeneinander der Tonarten – eine Voraussetzung für Debussys farbenprächtige Effekte.

Die Girlanden der solistisch dominierenden Flöte erblühen wie Arabesken, wie Bögen, die sich strecken und zusammenrollen, als seien sie lebendige Wesen. Der Rhythmus bekommt dank fernöstlicher Einflüsse eine ganz neue Qualität. Überaus subtil, wie durch Zauberhand gleitet ein Thema ins nächste über, scheint zufällig aus dem vorherigen erblüht zu sein. Die Flöte, aber auch die anderen Blasinstrumente entpuppen sich als überquellende Schatzkästlein voller prächtiger Klangjuwelen und schimmernder Perlenschnüre. Debussy stattet damit das Aschenputtel der Musik aus, das sich wohlig in seinem Haus rekeln darf: die Stille!

Flöte der Lust

Ursprünglich sollte der Faun eine dreisätzige Sinfonie ausfüllen; Debussy verzichtete jedoch auf die Sätze „Interlude“ und „Paraphrase“ zugunsten der Arbeit an seiner Oper „Pelléas et Mélisande“. So erschien das „Prélude“ nach zweijähriger Komposition 1894 allein und wurde am 22. Dezember 1894 in Paris uraufgeführt. Sergei Diaghilews „Ballets russes“ entdeckten das Kleinod für sich. Am 29. Mai 1912 hatte es im Pariser Théâtre du Châtelet Premiere als Ballett von und mit Vaslav Nijinskij.

Dem Bild der vor den rauen Zudringlichkeiten der Burschen fliehenden Mädchen gewannen Literatur, Malerei und Musik immer neue Spielarten ab. Es erotisch knistern zu lassen zwischen Daphnis und Chloé, zwischen Pan und Syrinx, zwischen dem Faun und den Nymphen, das lockte vor allem die französischen Künstler. Das Hirtengedicht „Après-midi d’un faune“ von Stéphane Mallarmé (1842-1898) hat fast keine Handlung und damit scheinbar keinen Reiz für eine theatralische Verarbeitung. Deshalb stand der Dichter dem Ansinnen Debussys, die Ekloge als Kompositionsvorlage zu benutzen, zunächst sehr skeptisch gegenüber. Er befürchtete eine Vertonung wie ein Lied, bekannte aber nach dem ersten Hören: „Etwas Derartiges hatte ich nicht erwartet! Diese Musik setzt die Stimmung meines Gedich­tes fort und schafft ein noch herrlicheres Dekor, als die Farbe es könnte.“

Stephane Mallarmé

Faun

Verewigen will ich diese Nymphen
Licht
Enteilt ihr leichter Schmelz zur Luft, die dicht
Und lastend brütet.

War mein Lieben Traum?
Der Zweifel, dieses Erbteil alter Nacht,
Erwächst zu wahren Wäldern, Baum für Baum.
Ja, hab’ ich’s mir allein denn ausgedacht,
Das holde Laster, und mich sein gebrüstet?
Denk nach!

Sind jene Fraun, danach dich lüstet,
Nur Bilder für dein fabelndes Verlangen?
Faun, aus den kalten blauen Augen sprangen,
Wie Quellen springen, dir der Spröden Glieder,
Indes die Zweite, Schmachtende gewiss
Nichts war als heißer Wind in deinem Vlies ...
Warum nicht gar? ... Schwer drückt die Glut hernieder,
Ohnmächtig sank der Hauch der Morgenröte.
Kein Wasser murmelt als aus meiner Flöte;
Ihr Klang allein benetzt den Hain. Es weht
Kein Hauch als der aus ihr, der kaum geboren
In trocknem Tön‘regen geht verloren.
Kein Wölkchen, das am Himmelsrand sich bläht.
Der sichtbar heitre Hauch der edlen Kunst
Steigt aufwärts wieder zu des Himmels Gunst.

O stilles Sumpfgestad, Siziliens Strand,
Darin ich wüste gleich dem Sonnenbrand,
Im Feuerregen schmachtend, – sprich, verkünde:
»Wie ich das hohle Rohr hier schnitt und zwang
»Kraft meiner Gabe, als durch goldne Gründe,
»Wo Rebengrün sich um die Quellen schlang,
»Zum Ruheplatz sich schlichen weiße Fraun
»Und meiner Flöte kaum entfloh das Lied –
»Da, gleich wie Schwäne, taucht der Schwarm und flieht.
»Najaden sind’s« ...

Träg glüht die Welt sich braun.
Wer sagt dir, Faun, was dem die Brust entfacht,
Der Töne paart? Zu neuer Glut erwacht,
So steh ich einsam in des Lichtes Fülle,
Euch, Lilien, gleichend, sonder Hehl und Hülle!
Nicht nur das holde Nichts, den Kuss allein,
Der heimlich Brunst verheißt, hab’ ich zum Pfand:
In meine reine Brust, mir unbekannt,
Grub holder Zähne Rätselspur sich ein.
Doch still! So heimliches sei ungesäumt
Dem Doppelrohr vertraut, dem klangbegabten.
Es zieht die Glut der Wangen ab und träumt,
Wie wir die schöne Welt ringsum erlabten
Durch das Verwechseln leicht getäuschter Lieder
Mit ihrem Sein. Auf, schwinge dein Gefieder
So hoch, mein Sang, als Liebe dringen kann!
Träg’ auf dem Rücken ruhend und nach innen
Den Träumerblick gekehrt, aus meinem Sinnen
Heb’ ich eintönig hell mein Liedchen an!

Wag’s nicht, boshafte Syrinx, Kind der Flucht,
Am Ufer harrend, neu dich zu beleben!
Ich, sangesstolz, will lange Kunde geben
Von Götterfrauen und durch frommes Schildern
Den Gürtel rauben ihren Schattenbildern. –
So wenn nach Traubenblut mich treibt die Sucht,
Um fortzuscheuchen falscher Reue Qualen,
Heb ich zum Himmel lachend noch die Schalen,
Und auf die lichten Häute blasend, stier’ ich
Bis in die Nacht hindurch, nach Rausch begierig ...

Oh, Nymphen, schwellt mich mit Erinnerungen!

»Mein Blick, das Ried durchspähend, traf die jungen,
»Göttlichen Nacken, die zur kühlen Flut
»Geneigt, dort stillten ihrer Haare Glut,
»Tief eingetaucht in feuchten Perlenschaum.
»Ich eil’ herbei – und mir zu Füßen liegen,
»Erschöpft vom langen Ineinanderschmiegen,
»Zwei Schäferinnen, Arm in Arm, im Traum ...
»Ich raube sie, die sich noch kühn verschränken,
»In dies Gebüsch, das allen Duft der Sonne
»Preisgibt, und hoffe, dass uns gleiche Wonne
»Vereinen wird, wenn sich die Schatten senken ...«

Dich lieb’ ich, Jungfraunzorn, dich, heil’ge Bürde,
Die nackt sich sträubt und gern entrinnen würde
Dem heißen Kusse, doch ein Schaudern dringt
Gleich einem Blitze von der Spröden Füßen
Ins Herz der Zagen und entringt
Der Unschuld Tränen mit dem Duft, dem süßen ...

»Was tat ich arges? Dass ich froh bezwang
»Die zage Scheu und dieses holde Paar,
»Das von den Göttern fest vereinigt war,
»Entzweite ... Kaum mit heißem Kichern drang
»Ich auf die erste zu, die ihr Gespiele
»Noch immer schamlos hielt, um ihre Kühle
»An eigner Glut von neuem zu entfachen, –
»Als diese Beute meinem wollustschwachen
»Arm undankbar entschlüpfte, trotz der Zähren,
»Die mich berauscht in ihrem Lustgewähren ...«

Je nun! lass andre meinem Glücke dienen,
Wenn sich ihr Haar um meine Hörner schlingt.
Du weißt, o Herz, dass die Granatfrucht springt,
Die rote, reife, rings umsummt von Bienen.
So rollt mein Blut, von jedem Reiz entfacht,
Hin durch den Schwarm, den ew’gen, der Begierde.
– Sinkt dieser Wald von Gold und Asch’ in Nacht,
So flammt durchs dunkle Laub die Feuerzierde
Des Ätna! Wenn Frau Venus ihn besteigt
Und ihren Fuß in seine Lava prägt,
Wenn matter aus dem Schlot die Flamme schlägt –
Halt’ ich die Königin!

Die Rach’ ist leicht! …

Nein, meine Seel’ ist träg, der Leib sucht Ruhe:
In hehrer Mittagsstille sink’ ich nieder.
Im Schlaf vergessend meine schnöden Lieder,
Streck’ ich mich in den durst’gen Sand und tue
Den Mund der Sonne auf, die Trauben reift.

Lebt wohl, ihr zwei, lasst sehen, wohin ihr Schatten schweift ...

F. v. O. B.

„Ich versuche, etwas ganz anderes zu machen, in gewisser Weise. Bilder der Wirklichkeit – die Dummköpfe nennen das Impressionismus.“

Claude Debussy

Claude Debussy

«Ibéria» aus «Images» für Orchester

Claude de France

Zeit seines Lebens hatte Claude Debussy den Hang zum Ungewöhnlichen, im täglichen Leben, in seiner Kunst, der Musik, der er alles unterordnete. Er liebte die feinen und zarten Dinge, und er liebte die Einsamkeit. Debussy war ein Einzelgänger, und er blieb es auch in der Musik trotz aller Nachahmer und Anhänger. Von Paris aus gelangten seine Werke in die Welt. Hier arbeitete, feilte, retuschierte er daran, oft viele Jahre, bis er sie frei gab. Der Klangzauber seiner Musiksprache wurde von den Zeitgenossen schnell mit der impressionistischen Malerei in Verbindung gebracht. Sogleich war damit seinem – für viele rätselhaften – Schaffen ein Etikett gegeben. Was sagte der Komponist selber dazu? „Ich versuche, etwas ganz anderes zu machen, in gewisser Weise. Bilder der Wirklichkeit – die Dummköpfe nennen das Impressionismus.“

Musikalische Bilder

Die « Images » für Orchester bestehen aus drei Teilen: « Gigues », « Ibéria », « Rondes de Printemps ». Debussy fasste darin „Bilder“, Landschaftseindrücke aus England, Spanien und Frankreich in seine musikalische Sprache, die trotz aller ineinandergleitenden und zerfließenden Klänge eher der Romantik nahe war als den Farben auf den Bildern des Impressionismus. Seine Devise lautete: „Die Musik ist die Kunst, die der Natur am nächsten steht... Allein die Musiker sind dazu berufen, die ganze Poesie der Nacht und des Tages, der Erde und des Himmels einzufangen, die Atmosphäre und deren unermessliche Schwingungen rhythmisch auszudrücken.“ Aber seine Musik gibt nicht bloße Naturstimmung wieder. Sie ähnelt Naturprozessen in ihrem Spiel der verschiedenen Kräfte, die erst im Miteinander das Ganze, hier das „tönende“ Ganze ergeben. „Das geheimnisvolle Zusammenwirken der Luftschwingungen, der Bewegung der Blätter und des Duftes der Blumen würde in Erfüllung gehen, da die Musik alle diese Elemente so vollkommen natürlich vereinigen, würde, dass sie an einem jeden von ihnen teilzuhaben schiene.“

So klingt Spanien

« Ibéria » stellt nach Meinung des großen spanischen Komponisten Manuel de Falla den „Inbegriff spanischer Musik schlechthin“ dar. Dabei hat sich Debussy niemals länger in Spanien aufgehalten; er besuchte lediglich kurz die Stadt San Sebastián in der Nähe der französischen Grenze.

Aber er liebte Spanien, und er kannte die dortige Musik mit ihren maurischen und andalusischen Weisen, und er kannte die „Ibéria“-Klavierstücke von Isaac Albéniz. Debussy nutzte nun das ganze Kolorit des Orchesterapparates und scheute sich auch nicht vor der Verwendung effektvoller Instrumente wie Kastagnetten, Tambourin, Xylophon, Celesta und Glocken. „Das dreiteilige Werk beginnt mit einem feurigen Allegro « Par les rues et les chemins » (Auf Straßen und Plätzen), dem sich ein sehnsuchtsvoller, schwermütiger Gedanke des Englischhorns anschließt, der sich nach und nach entwickelt und bald leidenschaftlich erregt anwächst, bald ermattend verklingt. Im folgenden lyrischen Teil « Parfums de la nuit » (Düfte der Nacht) breitet sich die schwere Süße warmer südländischer Nächte in blühenden Gärten aus. Im abschließenden dritten Teil « Le matin d’un jour de fête » (Am Morgen des Festes) wechseln die Stimmungen eines festlichen, aber auch fröhlichen Volksfestes, bis das Englischhorn‑Thema des ersten Teils wieder erklingt. Es erlebt einen bewegten Aufschwung und entfesselt schließlich einen ausgelassenen Festtrubel.“ (Dieter Uhrig)

Kurzbiographien

Matthias Pintscher

Matthias Pintscher ist ab der Spielzeit 2024-25 der neu ernannte Musikdirektor des Kansas City Symphony. Am Ende der Spielzeit 2022-23 beendete Matthias Pintscher seine erfolgreiche zehnjährige Tätigkeit als Musikdirektor des Ensemble Intercontemporain, des 1980 von Pierre Boulez gegründeten Pariser Kult-Ensembles für zeitgenössische Musik, das 2022 mit dem Polarpreis der Königlich Schwedischen Akademie ausgezeichnet wurde. Pintscher hat die Pflege neuer Werke von aufstrebenden Komponisten des 21. Jahrhunderts neben Aufführungen von ikonischen Werken der Avantgarde des 20. Jahrhunderts fortgesetzt und erweitert und das Ensemble bei der Schaffung von Dutzenden von Uraufführungen geleitet, CDs aufgenommen und das Ensemble auf Tourneen rund um den Globus geführt – nach Asien und Nordamerika sowie in ganz Europa zu allen wichtigen Festivals und Konzertsälen.
Matthias ist als einer der führenden Komponisten unserer Zeit bekannt und seine Werke stehen häufig auf den Programmen der großen Symphonieorchester in aller Welt. Im August 2021 stand er im Mittelpunkt des Suntory Hall Summer Festival – einer einwöchigen Feier seiner Werke mit dem Tokyo Symphony Orchestra sowie einer Residency des EIC mit Sinfonie- und Kammermusikaufführungen. Sein drittes Violinkonzert, Assonanza, das er für Leila Josefowicz schrieb, wurde im Januar 2022 mit dem Cincinnati Symphony Orchestra uraufgeführt. Eine weitere Uraufführung 2021-22 war neharot, ein gemeinsamer Auftrag von Suntory Hall, Orchestre Philharmonique de Radio France, Orchestre de la Suisse Romande, Los Angeles Philharmonic und Staatskapelle Dresden, wo er zum Capell-Compositeur ernannt wurde. In der Saison 2016/17 war er der erste Composer-in-Residence der Elbphilharmonie Hamburg, und von 2014 bis 2017 war er Artist-in-Residence beim Danish National Symphony Orchestra sowie Composer-in-Residence bei den Salzburger Festspielen und dem Lucerne Festival. Seit 2014 ist Matthias auch Professor an der Julliard School und wird vom Bärenreiter-Verlag verlegt.

Xavier de Maistre

Xavier de Maistre ist einer der führenden Harfenisten der Gegenwart und ein zutiefst innovativer Musiker. Als leidenschaftlicher Verfechter seines Instruments hat er das Harfenrepertoire erweitert und bei Komponisten neue Werke in Auftrag gegeben. Außerdem erstellt er Transkriptionen von wichtigen Instrumentalwerken.

Seine musikalische Vision führte ihn zur Zusammenarbeit mit Dirigenten wie Sir André Previn, Sir Simon Rattle, Riccardo Muti, Daniele Gatti, Philippe Jordan, Kristjan Järvi, Bertrand de Billy, Andrés Orozco-Estrada, Daniel Harding und Mirga Gražinytė-Tyla. Er wurde eingeladen von Orchestern aus Chicago, Montreal, City of Birmingham, NHK, dem Schwedischen und Finnischen Radio-Sinfonieorchester, den Philharmonieorchestern von Los Angeles, London, St. Petersburg und China, dem Tonhalle-Orchester Zürich, dem Mozarteum Orchester Salzburg, dem Orquestra Sinfônica do Estado de São Paulo und dem Orchestre de la Suisse Romande. In seiner Heimat Frankreich arbeitete er u.a. mit dem Orchestre de Paris, den Nationalorchestern Frankreichs und Lyons, den Philharmonien von Radio France, Monte-Carlo, Montpellier, Lille und Nancy sowie bei Rezitalen in den Opernhäusern von Paris und Lille, Lyon, Bordeaux, Nizza, Poitiers und Avignon.

RSB-Abendbesetzung

Violine 1

Wolters, Rainer
Nebel, David
Herzog, Susanne
Yoshikawa, Kosuke
Neufeld, Andreas
Bondas, Marina
Drechsel, Franziska
Kynast, Karin
Morgunowa, Anna
Tast, Steffen
Pflüger, Maria
Feltz, Anne
Polle, Richard
Yamada, Misa
Oleseiuk, Oleksandr
Leung, Jonathan

Violine 2

Kurochkin, Oleh
Simon, Maximilian
Drop, David
Petzold, Sylvia
Seidel, Anne-Kathrin
Draganov, Brigitte
Buczkowski, Maciej
Manyak, Juliane
Hetzel de Fonseka, Neela
Bauza, Rodrigo
Bara-Rast, Ania
Palascino, Enrico
Kanayama, Elli
Kang, Jiho

Viola

Regueira-Caumel, Alejandro
Adrion, Gernot
Silber, Christiane
Zolotova, Elizaveta
Drop, Jana
Doubovikov, Alexey
Montes, Carolina
Nell, Lucia
Inoue, Yugo
Yoo, Hyelim
Roske, Marth
Yu, Yue

Violoncello

Giglberger, Stefan
Riemke, Ringela
Breuninger, Jörg
Albrecht, Peter
Boge, Georg
Weigle, Andreas
Bard, Christian
Kipp, Andreas
Kim, Jean
Kleimberg, Elise

Kontrabass

Wömmel-Stützer, Hermann
Figueiredo, Pedro
Rau, Stefanie
Schwärsky, Georg
Buschmann, Axel
Ahrens, Iris
Gazale, Nhassim
Moon, Junha

Flöte

Bogner, Magdalena
Döbler, Rudolf
Schreiter, Markus
Kronbügel, Annelie

Oboe

Bastian, Gabriele
Grube, Florian
Herzog, Thomas

Klarinette

Link, Oliver
Pfeifer, Peter
Korn, Christoph

Fagott

Kofler, Miriam
Voigt, Alexander
Königstedt, Clemens
Mosler, Berenike

Horn

Ember, Daniel
Klinkhammmer, Ingo
Mentzen, Anne
Hetzel de Fonseka, Felix

Trompete

Jansky, Lorenz
Ranch, Lars
Niemand, Jörg

Posaune   

Niswandt von, Helge
Vörös, József
Lehmann, Jörg

Tuba

Uta, Philipp

Harfe

Edenwald, Maud
Diaz Cotan, Rosa

Schlagzeug

Tackmann, Frank
Thiersch, Konstantin
Azers, Juris
Grahl, Christoph
Reddemann, Ingo
Musick, Fabian

Pauke

Eschenburg, Jakob

Celesta

Gneiting, Heike

Kooperation

Bild- und Videoquellen

Portrait Matthias Pintscher © Felix Broede
Portrait Xavier de Maistre © Nikolaj Lund
Bilder Probe und Orchester © Peter Meisel

https://www.youtube.com/watch?v=ckZBkz_XC6E