

Digitales Programmheft
So 18.05. Vladimir Jurowski
20 Uhr Philharmonie
Ludwig van Beethoven
Ouvertüre„Egmont“
Frédéric Chopin
Klavierkonzert Nr. 2
Pause
Johannes Brahms
Sinfonie Nr. 4
Besetzung
Vladimir Jurowski, Dirigent
Yunchan Lim, Klavier
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Ralf Sochaczewsky, Assistenz Chefdirigent
Konzerteinführung: 19.10 Uhr, Südfoyer, Steffen Georgi
Konzertübertragung: Das Konzert wird am 18. Mai 2025 um 20.03 Uhr live auf radio 3 des rbb übertragen.
Endlich hier: Brahms‘ Vier
Im Land der aufgehenden Sonne war sie soeben zweimal zu hören: die letzte, die vierte Sinfonie von Johannes Brahms. Nun kommt sie mit dem RSB nach Berlin zurück. Vladimir Jurowski setzt somit den Brahms-Zyklus mit seinem Berliner Klangkörper fort und kombiniert die sinfonische Lebensbilanz des Hamburger Wahlwieners mit dem Porträt des niederländischen Patrioten Egmont, wie es ein nicht minder berühmter Bonner Wahlwiener musikalisch gezeichnet hat: Ludwig van Beethoven.
Yunchan Lim aber, ein junger südkoreanischer Pianist, der aktuell zwischen Wien, Paris, London, Berlin, Washington, New York und Tokio sich förmlich aufteilen muss, um die hochkarätigsten Konzerteinladungen wahrzunehmen, debütiert beim Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin mit jenem Werk von Fryderyk Chopin, welches ihn sich von den Zeitgenossen Mendelssohn, Schumann, Liszt abheben und zum polnischen Nationalkomponisten werden ließ.
Konzertpodcast "Muss es sein?"
Ludwig van Beethoven
Ouvertüre zu Goethes Trauerspiel „Egmont“ f-Moll op. 84


„Ihr seid ein Feuerkopf, Beethoven“
Zuerst werden die spanischen Unterdrücker in Form einer Sarabande (langsamer spanischer Hoftanz) dargestellt. Danach vernimmt man das Leid und die Verzweiflung der Niederländer, die sie unter der Herrschaft von Herzog Alba zu erdulden haben. Es folgen immer machtvollere Töne des organisierten Widerstandes im Vermächtnis des 1568 von den Spaniern hingerichteten niederländischen Anführers Egmont. Am Ende steht der Sieg über die Besatzer, verkörpert von einer triumphalen Hymne, die dem militärischen Gestus der französischen Revolutionsmusik verpflichtet ist. Auf diese Weise stellt Beethoven den zeitgenössischen Eroberer Napoleon bloß, der seine eigenen Ideale verraten hat.
Insgesamt zehn Ouvertüren hat Beethoven komponiert. Sie entstanden zwischen 1801 („Prometheus“) und 1822 („Die Weihe des Hauses“). „Egmont“ ragt als zwar kurzes, aber umso prägnanteres sinfonisches Werk heraus.
Ein längeres, ja ein menschheitsumarmendes sinfonisches Werk von Beethoven, die Sinfonie Nr. 9, führte das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin heute vor 80 Jahren, am 18. Mai 1945, gemeinsam mit überlebenden Kollegen anderer Orchester, mit Sängerinnen und Sängern aus dem zerstörten Berlin im Haus des Rundfunks in der Masurenallee auf. Das Gebäude hatte als einziges der renommierten Berliner Kulturinstitute den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden und wurde so, nur zehn Tage nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht und mit ausdrücklicher Billigung der sowjetischen Besatzungstruppen, zum Austragungsort des allerersten Nachkriegskonzertes in der Hauptstadt.
Frédéric Chopin
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 f-Moll op. 21


Wenn dem Klavier Flügel wachsen
Warum Frédéric auch Fryderyk heißt
Von französisch-polnischer Abstammung, in Polen geboren, in Frankreich zu Weltruhm gelangt – Fryderyk (oder französisch: Frédéric) Chopin hat wie kein anderer vor ihm das polnische Idiom in die Kunstmusik eingebracht und dort als nationale Identität aufbewahrt. Seine Polonaisen und Mazurken singen das Lied von Ruhm, Sieg, Niederlage und Trauer seines Volkes zu einer Zeit, als die staatliche Existenz Polens ausgelöscht war und das Land unter den mächtigen Nachbarn Russland, Preußen und dem nicht minder habgierigen habsburgischen Österreich aufgeteilt war. Als Sympathisant der polnischen Revolutionäre um Adam Mickiewicz und Fürst Czartoryski, die als Emigranten die „nationale Frage“ Polens auch in Westeuropa bekannt machten, traf Chopin schweren Herzens die Entscheidung, seine Heimat ebenfalls zu verlassen. „Es bleibt mir nur noch, Abschied zu nehmen – und das ist das Schlimmste... Ich habe das Gefühl, dass ich das Haus nie wiedersehen werde, wenn ich Warschau verlasse. Und dass ich abreise, um zu sterben“. Ein letztes Konzert gab er am 11. Oktober 1830 im Nationaltheater. Drei Wochen nach diesem letzten Konzert verließ Chopin Polen für immer. Während seiner Abreise begann der sogenannte Novemberaufstand gegen die russische Fremdherrschaft. Dieser und die späteren Aufstände der Polen wurden niedergeschlagen; alle Autonomiebestrebungen gewaltsam zunichtegemacht. Chopin hat unter der Entwicklung in seinem Heimatland gelitten. Jedoch begehrte er nicht heftig auf, sondern wählte gemäß seinem Naturell die leisen, aber deutlichen Töne. Die Kompositionen der letzten neun Jahre seines Lebens sind unüberhörbar von der tiefen Verbundenheit mit seiner unterdrückten Heimat gekennzeichnet, die er nicht mehr wiedergesehen hat.
Was Rossini nicht konnte


Um die Kunst des Instrumentierens, wird gesagt, habe sich das fulminante Pianistentalent nie recht bemüht. Das mag richtig sein, heißt aber nicht, dass Chopin diese Kunst nicht beherrscht hat. Die Instrumentation des f-Moll-Konzertes hebt geschickt die fein gearbeitete Struktur und die emotionale Dynamik des Werkes hervor. Die verschiedenen Themen korrespondieren in farblichen Gegensätzen, der Orchesterklang schließt kammermusikalische Dialoge ein, aus denen jene zwischen dem Fagott und dem Klavier hervorzuheben sind.
Diese Dinge tragen zum Reiz des Konzertes bei, unerwartet oder neu sind sie nicht. Chopins Neuerungen liegen anderswo, im sensiblen, detailreichen Klaviersatz, den ausdrucksvollen Verzierungen, in der durchbrochenen Harmonik. Überdies verfügt Chopin über eine außerordentlich brillante Virtuosität, mit er so natürlich und unaufdringlich umgeht, dass sie alle eitlen Selbstdarsteller unter seinen Kollegen in den Schatten stellt.
Spätestens im Mittelteil des zweiten Satzes des f-Moll-Konzertes – er schiebt sich zwischen zwei Strophen des liedartigen Hauptthemas – vernimmt man die Faszination, die Chopin für die italienische Oper empfunden hat. Über rumorenden Streichertremoli erhebt sich ein instrumentales Rezitativ, eine leidenschaftliche Deklamation. Unversehens wird aus einer schlichten Variationenfolge eine dramatische Bühnenszene. Auch die vier Einleitungstakte des Orchesters erhalten so ihren Sinn. Die oben erwähnte Konstantija war eine passable Rossini-Sängerin. Chopin erwähnt, an sie gedacht zu haben während der Komposition der beiden Klavierkonzerte. Doch das Phänomen Rossini hat das Werk von Fryderyk Chopin weit darüber hinaus beeinflusst, nicht weniger als jenes von Franz Schubert und das von vielen anderen Zeitgenossen. Die Perlenketten des Chopinschen Klavierduktus erinnern an den reich kolorierten und verzierten Belcantostil der damals so populären italienischen Opern von Rossini, Donizetti und Bellini. Im As-Dur-Teil des f-Moll-Klavierkonzertes demonstriert das junge Klaviergenie, wie sein figurenreiches Belcanto dem der menschlichen Stimme gar überlegen sein kann.
Mazurka umarmt Walzer
Das Finale entlädt es dann, das Polnische, das Hinreißende. Doch die temperamentvolle Mazurka kokettiert temperamentvoll mit dem charmanten Nachbarn hinterm Zaun, dem berühmten Walzer aus Wien. Beide gelten ihren jeweiligen Ordnungshütern als suspekt, als unsittlich.
Im ersten Satz schon hat der junge Chopin unter Beweis gestellt, dass er sein Handwerk von Grund auf gelernt und verstanden hat. Die Sonatenhauptsatzform ist perfekt erfüllt, sie erfreut den musikalischen Sinn mit perfekten Proportionen, mehr noch, sie hat etwas mitzuteilen, spricht ihre individuelle Sprache. Denn Chopin gewinnt das Thema aus einem Fluchtpunkt in der Ferne, leise, einstimmig beginnend, bewegt die Musik sich auf uns zu – und wieder weg, Perspektiven eröffnend. Das hat jeder der vier großen, um 1810 geboren Komponisten auf seine Weise vermocht: Mendelssohn, Schumann, Chopin, Liszt. Auf dem Klavier aber differenziert sich ihr Potential; Chopin redet, flüstert, schwärmt virtuos wie kein anderer mit Hilfe von kleinen, feinen Figuren.
Johannes Brahms
Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98


Fallende Terzen

Kurzbiographien
Vladimir Jurowski

Vladimir Jurowski ist seit 2017 Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin (RSB). Sein aktueller Vertrag in Berlin läuft bis 2027. Parallel dazu ist er seit 2021 Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper in München.
Vladimir Jurowski, einer der gefragtesten Dirigenten unserer Zeit, der weltweit für seine innovativen musikalischen Interpretationen und ebenso für sein mutiges künstlerisches Engagement gefeiert wird, wurde 1972 in Moskau geboren und absolvierte den ersten Teil seines Musikstudiums am Music College des Moskauer Konservatoriums. 1990 siedelte er mit seiner Familie nach Deutschland über und setzte seine Studien an den Musikhochschulen in Dresden und Berlin fort. 1995 debütierte er beim irischen Wexford Festival mit Rimski-Korsakows „Mainacht“ und 1996 am Royal Opera House Covent Garden mit „Nabucco“. Anschließend war er Erster Kapellmeister der Komischen Oper Berlin (1997-2001).
Bis 2021 arbeitete Vladimir Jurowski fünfzehn Jahre lang als Chefdirigent des London Philharmonic Orchestra (LPO) und wurde inzwischen zu dessen „Conductor Emeritus“ ernannt. In Großbritannien leitete er von 2001 bis 2013 als Musikdirektor der Glyndebourne Festival Opera eine breite Palette von hochgelobten Produktionen. Seine enge Verbindung zum britische Musikleben wurde im Frühjahr 2024 von König Charles III. dadurch gewürdigt, dass er Vladimir Jurowski zum Honorary Knight Commander of the Most Excellent Order of the British Empire (KBE) ernannte. Im April 2024 kehrte Vladimir Jurowski als Gast nach London zurück, um mit dem LPO in der Royal Festival Hall den konzertanten Aufführungszyklus von Wagners „Ring“ mit der „Götterdämmerung“ zu vollenden.
Vladimir Jurowski hat Konzerte der bedeutendsten Orchester Europas und Nordamerikas geleitet, darunter die Berliner, Wiener und New Yorker Philharmoniker, das königliche Concertgebouworchester Amsterdam, das Cleveland und das Philadelphia Orchestra, die Sinfonieorchester Boston und Chicago, das Tonhalle-Orchester Zürich, die Sächsische Staatskapelle Dresden und das Gewandhausorchester Leipzig. Er gastiert regelmäßig bei den Musikfestivals in London, Berlin, Dresden, Luzern, Schleswig-Holstein und Grafenegg. Obwohl Vladimir Jurowski von Spitzenorchestern aus der ganzen Welt als Gastdirigent eingeladen wird, konzentriert er seine Aktivitäten inzwischen auf jenen geographischen Raum, den er unter ökologischem Aspekt mit vertretbarem Aufwand gut erreichen kann.
Die gemeinsamen CD-Aufnahmen von Vladimir Jurowski und dem RSB begannen 2015 mit Alfred Schnittkes Sinfonie Nr. 3. Es folgten Werke von Britten, Hindemith, Strauss, Mahler und erneut Schnittke. Vladimir Jurowski wurde vielfach für seine Leistungen ausgezeichnet, darunter mit zahlreichen internationalen Schallplattenpreisen. 2016 erhielt er aus den Händen des heutigen Königs Charles III. die Ehrendoktorwürde der Royal Philharmonic Society. 2020 wurde Vladimir Jurowskis Tätigkeit als Künstlerischer Leiter des George-Enescu-Festivals vom Rumänischen Präsidenten mit dem Kulturverdienstorden gewürdigt.
Yunchan Lim

Seit Yunchan Lim im Jahr 2022 im Alter von 18 Jahren als jüngster Teilnehmer des Van Cliburn International Piano Competition die Goldmedaille gewann, hat er einen kometenhaften Aufstieg zu internationalem Ruhm erlebt. Marin Alsop äußerte: „Yunchan ist der seltene Künstler, der tiefe Musikalität und erstaunliche Technik organisch zusammenbringt“.
In den Jahren nach seinem Cliburn-Gewinn gab Yunchan sein erfolgreiches Orchesterdebüt beim New York, Los Angeles, München und Seoul Philharmonic Orchestra sowie beim Chicago, Lucerne, BBC, Boston und Tokyo Symphony Orchestra und weiteren Orchestern. Zu seinen Konzertauftritten gehören Auftritte in der Carnegie Hall, beim Verbier Festival, in der Wigmore Hall, im Het Concertgebouw und in der Suntory Hall, neben anderen großen Bühnen.
Zu Lims Höhepunkten der Saison 2024/25 gehören Orchesterdebüts mit dem Washington National Symphony, dem London Symphony, dem Royal Philharmonic, dem Radio-Sinfonieorchester Wien, dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und dem WDR-Sinfonieorchester sowie die Rückkehr zum New York Philharmonic, dem Luzerner Sinfonieorchester und dem Orchestra Paris. In dieser Saison wird er auch sein Debüt im Kennedy Center und eine Rückkehr in die Carnegie Hall geben.
Als Exklusivkünstler bei Decca Classics hat Yunchan Lims gefeiertes Debütalbum Chopin Études Op. 10 & 25 in Südkorea Doppelplatin erhalten und weltweit die Klassikcharts angeführt. Zu seinen früheren Veröffentlichungen gehören Liszts Transzendentale Etüden (Steinway & Sons), Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 „Kaiser“ (Universal Music Group) und sein Auftritt auf dem Album 2020 Young Musicians of Korea von KBS.
Geboren in Siheung, Korea, begann Yunchan Lim im Alter von 7 Jahren mit dem Klavierunterricht. Im Alter von 13 Jahren wurde er am Korea National Institute for the Gifted in Arts aufgenommen, wo er seinen Lehrer und Mentor Minsoo Sohn kennenlernte. Im Jahr 2019 gewann er im Alter von nur 15 Jahren als jüngster Teilnehmer den internationalen IsangYun-Wettbewerb in Korea. Yunchan studiert derzeit am New England Conservatory of Music bei seinem Lehrer Minsoo Sohn.


RSB-Abendbesetzung

Violine 1
Nebel, David
Ofer, Erez
Herzog, Susanne
Yoshikawa, Kosuke
Beckert, Philipp
Drechsel, Franziska
Feltz, Anne
Kynast, Karin
Morgunowa, Anna
Pflüger, Maria
Polle, Richard
Ries, Ferdinand
Stangorra, Christa-Maria
Shalyha, Bohdan

Violine 2
Contini, Nadine
Simon, Maximilian
Drop, David
Petzold, Sylvia
Buczkowski, Maciej
Draganov, Brigitte
Eßmann, Martin
Färber-Rambo, Juliane
Hetzel de Fonseka, Neela
Manyak, Juliane
Palascino, Enrico
Bauza, Rodrigo
Hagiwara, Arisa
Cazac, Cristina

Viola
Regueira-Caumel, Alejandro
Adrion, Gernot
Silber, Christiane
Zolotova, Elizaveta
Doubovikov, Alexey
Drop, Jana
Inoue, Yugo
Kantas, Dilhan
Montes, Carolina
Sullivan, Nancy

Violoncello
Eschenburg, Hans-Jakob
Hornig, Arthur
Breuninger, Jörg
Weiche, Volkmar
Albrecht, Peter
Boge, Georg
Kipp, Andreas
Weigle, Andreas
Kalvelage, Anna
Paetsch, Raphaela

Kontrabass
Wömmel-Stützer, Hermann
Wagner, Marvin
Figueiredo, Pedro
Ahrens, Iris
Gazale, Nhassim
Rau, Stefanie
Moon, Junha

Flöte
Schaaff, Ulf-Dieter
Schreiter, Markus

Oboe
Bastian, Gabriele
Herzog, Thomas

Klarinette
Link, Oliver
Kern Michael
Simpfendörfer, Florentine

Fagott
You, Sung Kwon
Shih, Yisol
Kneisel, Markus

Horn
Ember, Daniel
Klinkhammer, Ingo
Mentzen, Anne
Stephan, Frank

Trompete
Kupriianov, Roman
Niemand, Jörg

Posaune
Hölzl, Hannes
Hauer, Dominik
Vörös, József

Percussion
Tackmann, Frank

Pauke
Wahlich, Arndt
Bild- und Videorechte
Portraits Vladimir Jurowski © Peter Meisel
Portrait Yunchan Lim © James Hol
https://www.youtube.com/watch?v=EB1XpOOOvaA&t=1s