Digitales Programm
Kammerkonzerte
21.03.2024 19.30 Kühlhaus Berlin
22.03.2024 19.30 Studio 14
24.03.2024 19.30 Ballhaus Wedding
Maria Herz
Streichquartett h-Moll op. 6
Grażyna Bacewicz
Streichquartett Nr. 4
Pause
Fanny Hensel
Streichquartett Es-Dur
Besetzung
Richard Polle, Violine
Ania Bara-Rast, Violine
Alejandro Regueira Caumel, Viola
Andreas Kipp, Violoncello
Am 22. März 2024 im Studio 14 des RBB erklingt ein verkürztes Programm ohne Pause.
Grażyna Bacewicz
Streichquartett Nr. 4
Alles Neunte?
Das Musikinformationszentrum des Komponistenverbandes der Republik Polen hat im Jahre 2001 auf der offiziellen Internetseite „Culture.pl“ Informationen über die polnische Musik im Allgemeinen und über Grażyna Bacewicz im Besonderen zur Verfügung gestellt. Dort heißt es über ihr Konzert für Streichorchester, es werde „allgemein als das Opus magnum von Grażyna Bacewicz angesehen, und sie selbst nenne es ihre ‘Neunte Sinfonie’.“ Da reibt sich der deutsche Musikfreund verwundert die Augen. Opus magnum? Neunte Sinfonie? Wie konnte ich daran bisher achtlos vorbei gehen?
Grażyna Bacewicz wurde 1909 geboren. Fast einhundert Jahre jünger als Fryderyk Chopin, jedoch eine Generation älter als Wojciech Kilar, Henryk Mikolai Górecki oder Krzysztof Penderecki, die polnischen Komponistenstars des renommierten Festivals „Warschauer Herbst“ in den 1960er-Jahren, gehörte sie mit dem vier Jahre jüngeren Witold Lutosławski zu jener Generation von polnischen Komponisten, die vor und nach dem Zweiten Weltkrieg polnische Musikgeschichte mitgeschrieben haben.
Ein Stipendium des legendären Jan Paderewski ermöglichte es Grażyna Bacewicz, nach Paris zu gehen und bei Nadia Boulanger Komposition zu studieren. Parallel dazu ließ sie sich als Geigerin ausbilden, so dass sie in den 1930er-Jahren zu den europaweit anerkannten Musikern gehörte. Die umtriebige Künstlerin führte ihre unglaubliche Schaffenskraft auf „einen kleinen, unsichtbaren Motor“ zurück, „dank dessen ich in zehn Minuten mache, wofür andere eine Stunde brauchen: Ich laufe, anstatt zu gehen, ich kann fünfzehn Briefe in einer halben Stunde schreiben, sogar mein Puls geht bedeutend schneller als bei anderen, und ich wurde schon im siebenten Monat geboren.“
Bacewiczs Kompositionen basierten auf den Erfahrungen, die sie mit dem Neoklassizismus in Frankreich gemacht hatte, wobei sie diesem Stil gerade als Frau eine stets kraftvolle, vital zupackende Note hinzufügte. Im Übrigen verwehrte sie sich einer Einordnung in eine bestimmte Stilrichtung.
„Ich bin nicht einverstanden mit denen, die behaupten, dass ein Komponist, der eine eigene Sprache gefunden hat, sich daran festhalten sollte. Ich finde eine solche Meinung völlig fremd; das behindert die weitere Entwicklung und das Wachstum. Jede Komposition, die heute abgeschlossen wird, gehört morgen schon der Vergangenheit an.“
Forsch und selbstbewusst ging sie nach dem Ende des Krieges daran, die polnische Musikkultur nach vorn zu bringen. 1948 komponierte sie unter anderem das Konzert für Streichorchester. Bacewicz verstand es in den Folgejahren, als Komponistin und als Jurorin des Wieniawski-Wettbewerbes der polnischen Musik wieder zu internationalem Glanz zu verhelfen. Einige ihrer Werke fanden Eingang in die Violinausbildung an den Musikschulen in Osteuropa, darunter auch in der DDR. Das Geigespielen hatte Grażyna Bacewicz nach einem Autounfall 1954 selber aufgegeben müssen. Die Komponistin wurde nur 59 Jahre alt, sie starb hoch geehrt im Jahre 1969.
Ordentlich was zwischen die Zähne
Das Streichquartett Nr. 4 aus dem Jahre 1950 wurde 1951 in Liège uraufgeführt und erhielt sogleich den ersten Preis beim Internationalen Komponistenwettbewerb in der belgischen Stadt. Die drei Sätze – zwei davon im Zeitmaß Andante, der letzte ohne Satzbezeichnung – sind alle von volksmusikalischen Einflüssen aus Polen durchdrungen. Darüber hinaus lebt das Werk von packender Virtuosität. Wie meist bei Bacewicz schlägt die Musik zahlreiche unvermutete Haken: Konventionen sind dazu da, um über sie hinweg zu springen. Atmosphärisch dicht und kaleidoskopisch vielfältig, fordert das Streichquartett konzentriertes Zuhören, um keinen der einzigartigen Momente zu verpassen, die so schnell verschwinden, wie sie gekommen sind.
Der Komponist und Musikschriftsteller Stefan Kisielewski (1911-1991) karikierte 1950 den desolaten Zustand der polnischen zeitgenössischen Musik, indem er am Beispiel von Grażyna Bacewicz aufzeigte, wie man es besser machen kann: „Man darf mit gutem Gewissen sagen, dass dieses Mal die Würde der polnischen Komponisten von einer Frau, Grażyna Bacewicz, wiederhergestellt wurde. Ihr Konzert für Streichorchester ist mit Begeisterung und Energie geschrieben, es ist randvoll mit fließendem Reichtum und hervorragend instrumentiert. Mit ihren kompositorischen Ideen hat sie uns endlich aus der Lethargie geweckt, indem sie in ihrer Arbeit einige Verweise auf Bach oder Händel macht, auf die Brandenburgischen Konzerte. Hier haben wir endlich ein ‘heißblütiges Stück’ gesunder und schmackhafter Musik, geschrieben mit männlicher Gestaltungskraft.“ So, da haben wir’s wieder, Frauen sind halt die besseren Männer.
Maria Herz
Streichquartett h-Moll op. 6
Von Herz – zu Herzen
Im Familienstreichquartett spielte Maria, die 1878 geborene jüngste Tochter der Kölner Textilunternehmerfamilie Bing, das Violoncello. Maria Bing bekam die besten Lehrer. Der wichtigste von ihnen, Max Pauer, vorher in London tätig, jetzt in Köln, war selbst noch ein Enkelschüler von Mozarts Sohn Franz Xaver gewesen. Im Deutschland des frühen 20. Jahrhunderts, das sich immer pausbäckiger und pickelhaubiger gebärdete, versuchten die Bings wie viele jüdische Familien mit Hilfe von Bildung und Kultur aufzusteigen in die Mehrheitsgesellschaft. Doch der Trend der deutschen Mehrheitsgesellschaft ging damals in die entgegengesetzte Richtung – eine Gefahr, die fatalerweise bis heute keineswegs gebannt ist.
Zwischen 1887 und 1897 wurde Maria Bing umfassend als Musikerin ausgebildet, auf dem Klavier, dem Violoncello, als Komponistin und darüber hinaus als eine eloquente Referentin, die brillant Musikvorträge zu halten vermochte. 1901 heiratete sie den sechs Jahre älteren Kölner Chemiker Dr. Albert Herz und ging mit ihm nach England, wo ihr Ehemann beruflich für sich bessere Chancen sah als im zunehmend antisemitischen Deutschland. In Manchester gebar Maria Herz zwischen 1902 und 1910 ihre vier Kinder. Nebenbei nahm sie weiter Kompositionsunterricht und erarbeitete multimediale Musikvorträge in englischer Sprache. Dabei setzte sie sich auch mit den aktuellen zeitgenössischen Entwicklungen kundig und kritisch auseinander. Als ihr eigenes Opus 1 entstanden „Chopin-Variationen“ für Klavier. „Mir gefallen sie“, erklärte sie kokett und ergänzte: „… muss ja nicht für immer sein“.
Während eines Familienbesuches 1914 in Köln brach der Krieg aus. Die Wahlheimat der Herzens in Manchester war von einem Tag auf den anderen zu Feindesland geworden, eine Rückkehr nicht möglich. Albert wurde als Soldat einberufen, kehrte 1918 als gebrochener Mann aus dem Krieg zurück. 1920 infizierte er sich mit der grassierenden Spanischen Grippe und starb am 31. März im Alter von 47 Jahren.
Alleinerziehend, jüdisch, weiblich
Maria, nunmehr Witwe und alleinerziehende Mutter von vier halbwüchsigen Kindern, zog zu ihrem Bruder, dem Rechtsanwalt Moritz Bing, der seinerseits die Ehepartnerin durch die Spanische Grippe verloren hatte und mit zwei Kindern ebenfalls allein zurückgeblieben war. Maria Herz kümmerte sich bis 1930 also um sechs Kinder – und nahm parallel sowohl den Kompositionsunterricht (u.a. bei Philipp Jarnach) als auch das Komponieren wieder auf. István Ipolyi, Bratschist des Budapester Streichquartetts, ermunterte sie, die Musik als ihre Berufung zu begreifen.
Bis zu sechs Stunden am Tag studierte, komponierte sie in den 1920er-Jahren in Köln, darunter auch das Streichquartett op. 6 – und erstaunte sich selbst über ihre Musik: „kraftvoll, schwungvoll, gar nicht wie von einer Frau geschrieben!“ Das viersätzige Streichquartett trägt allein durch die Tonartbezeichnung h-Moll und die althergebrachte Satzfolge anno 1923 den Keim des Neoklassischen in sich. Gleichwohl komponierte Maria Herz auch hier auf der Höhe der Zeit. Ihr Streichquartett rangiert auf Augenhöhe zwischen den Werken von Bartók, Hindemith und Weill. In den 1920er- und frühen 1930er-Jahren wurde Maria Herz in der zeitgenössischen Musikwelt lebhaft wahrgenommen. Deren „Cheftheoretiker“ Theodor W. Adorno interessierte sich für ihre Werke und ihren Stil, der von der Spätromantik herrührte, den Expressionismus, die neue Sachlichkeit und den Neobarock streifte und dabei stets einen spielerischen Charme bewahrte. Zum Freundeskreis zählte der Dirigent Otto Klemperer, damals erster Kapellmeister an der Kölner Oper, der Dirigent Hermann Abendroth und selbst der spätere Präsident der Reichsmusikkammer, Peter Raabe.
Ab 1926 zeichnete Maria Herz ihre Werke zusätzlich mit dem Vornamen ihres verstorbenen Mannes: Albert Maria Herz. Darin schwang gleichermaßen etwas Ernstes, etwas Fatales und etwas Augenzwinkerndes mit. Zum einen war es ihr ein wirkliches Bedürfnis, den verlorenen Ehemann und dessen steten Zuspruch zu ihren künstlerischen Anfängen zu ehren. Zum zweiten war es der tüchtigen und pragmatischen Frau nicht verborgen geblieben, dass man als Mann im Haifischbecken des professionellen Fortkommens halt bessere Chancen hat.
Und wenn man schon, drittens, Maria heißt, warum sollte man sich dann nicht des (katholisch tradierten) Vorteils bedienen, durch einen simplen Namenszusatz für einen Mann gehalten zu werden? Wer weiß, ob hinter dem Namen Carl Maria von Weber nicht heimlich auch eine Frau gesteckt hat?
Zum Verstummen gezwungen
Das Auskommen für eine jüdische Komponistin, angewiesen auf ein funktionierendes liberales Kulturleben, war ab 1933 in Nazideutschland unmöglich geworden, ja lebensgefährlich. Ihr letztes Werk, ein Konzert für Cembalo, Flöte und Streicher, hielt sich an barocke Formen, an Strohhalme der vergehenden Kultur am Rande des Abgrundes. „Fest steht: Die Partitur zu diesem Concerto hat Maria Herz noch mit ins Exil genommen, hat das Stück im Exil zu Ende geschrieben und danach nie wieder etwas, keine einzige Note mehr.“ (Georg Beck)
Nach der Enteignung des Familienbesitzes, dem Verlust des Zuhauses, der Verleugnung des Stellenwertes ihrer Musik, der Aberkennung ihrer kulturellen Identität durch die neuen Machthaber, emigrierte Maria Herz schließlich beinahe mittellos nach England, ließ sich 1938 gemeinsam mit ihrem jüngsten Sohn auf dem Land nieder, lebte als gärtnernde Selbstversorgerin, hörte leidenschaftlich Radio, nahm über die BBC das Kulturleben Europas wahr, verfasste wieder musikalische Referate – ohne Aussicht, sie öffentlich halten zu dürfen. „Dear children all…“ – ihre regelmäßigen, tagebuchartigen Briefe gaben ein beredtes Zeugnis ab von der ungebrochenen Lebensenergie und dem wohltuend urteilsfreien Pragmatismus dieser Frau – auch dann, als die englische Polizei die Deutsche in ihrem Land zu observieren begann. Nach dem Kriegsende zog sie zu einem ihrer erwachsenen Kinder in die USA, 1947 besuchte sie noch einmal die Schweiz, 1950 starb sie in New York.
Wiedergeburt
Ihre Wiederentdeckung ist dem in Zürich ansässigen Enkel Albert Herz zu verdanken, der den Nachlass seiner Großmutter, die er 1949 ein einziges Mal, als Vierjähriger, gesehen hat, im Jahre 1995 aus den USA in die Schweiz geholt hat, um ihn 2015 der Zentralbibliothek in Zürich zu schenken. Seitdem dieser Nachlass – inklusive aller ungedruckten Notenmanuskripte (etwa 30 Orchesterwerke, Solokonzerte, Kammermusik und Klavierlieder, die sie zwischen den Jahren 1920 und 1935 komponiert hat) – öffentlich zugänglich ist, hat eine stürmische Renaissance der Maria Herz eingesetzt. Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) hat unter der Leitung von Christiane Silber vier Orchesterwerke für Deutschlandradio und für das CD-Label Capriccio eingespielt. Die CD erscheint im Sommer 2024.
Dass die Kompositionen von Maria Herz eine echte und wesentliche Bereicherung des ewigen Kontinuums darstellen, das wir Musik nennen, steht außer Zweifel. Wäre dem nicht so, so wüsste niemand vom Schicksal dieser jüdischen Frau, Mutter und Künstlerin. Sie wäre eine der unzähligen Namenlosen, denen im 20. Jahrhundert durch die Nazidiktatur ein verheerendes, nicht wiedergutzumachendes Unrecht angetan worden ist.
Fanny Hensel
Streichquartett Es-Dur
Fanny und Felix – eine Schicksalsgemeinschaft
„... die größte Leere und Wüste im Kopf und im Herzen“ hat der Bruder empfunden, als ihm die Nachricht überbracht wird, seine Schwester sei am 14. Mai 1847 urplötzlich während einer Probe zusammengebrochen. Wenige Stunden später stirbt die 42-jährige Fanny, seine „liebste Fenchel“, wie er sie zärtlich nennt, an einem Schlaganfall. Felix ist am Boden zerstört. Vier Monate später mündet seine verzweifelte Trauer in die verstörende Musik des Streichquartettes Nr. 6 f-Moll. Zwei Monate später ist er selber tot, gestorben wie seine Schwester nach mehreren Schlaganfällen, im Alter von 38 Jahren.
Es ist viel geredet worden über das spannungsreiche Verhältnis der zwei Musikergeschwister Fanny und Felix Mendelssohn – nicht zuletzt von den beiden selber in Briefen und weiteren Überlieferungen. Doch weitaus beredter als alle Worte ist die Musik. All die verbalen Weichspülereien, die sogar Felix und Fanny selber ausgetauscht haben, verblassen vor der Leidenschaft der Musik. Das betrifft jene von Felix Mendelssohn Bartholdy und auch die von Fanny Hensel, geborene Mendelssohn.
Das weltgewandte Gartenhaus in Berlin
Am Anfang gleichen sie Zwillingen, auch was die honorige Ausbildung betrifft. Kompositionsunterricht bei Carl Friedrich Zelter, dem Leiter der renommierten Berliner Sing-Akademie, gleiche Rechte und gleiche Pflichten für beide. Doch beim Erreichen des Jugendalters schreitet der eigentlich aufgeklärte Vater, Abraham Mendelssohn, rigoros ein. Zur Konfirmation der inzwischen evangelisch-reformierten und wie die ganze Familie auf den Nachnamen Mendelssohn Bartholdy getauften Fanny bekommt die junge Frau von dem renommierten Bankier zu hören: „Die Musik wird für [Felix] vielleicht Beruf, während sie für Dich stets nur Zierde, niemals Grundbass Deines Seins und Tuns werden kann und soll; ihm ist daher Ehrgeiz, Begierde, sich geltend zu machen in einer Angelegenheit, die ihm sehr wichtig vorkommt, weil er sich dazu berufen fühlt, eher nachzusehen, während es Dich nicht weniger ehrt, dass Du von jeher [...] Deine Freude an dem Beifall, den er sich erworben, bewiesen hast [...] Beharre in dieser Gesinnung und diesem Betragen, sie sind weiblich, und nur das Weibliche zieret die Frauen.“
Hausmütterchen soll sie also sein, zumindest nach außen hin. Denn der Vater unterstützt weiterhin ihre musikalischen Ambitionen, „aber bitteschön hinter verschlossenen Türen. Die Dirigentin, Komponistin und Interpretin Fanny Mendelssohn, ab 1829 mit dem Hofmaler Wilhelm Hensel verheiratet, sie musiziert wie ein Vogel im goldenen Käfig. Für die Konventionen damals ist das schon mehr, als so manch eine begabte Zeitgenossin zu träumen wagt. Und doch ist es für Fanny ein schweres Schicksal, dem sie sich beugen muss“ (Maja Ellmenreich).
Sie komponiert, musiziert und dirigiert weiter – für den Hausgebrauch. Der bei den Mendelssohns immerhin höchstes Niveau hat. Denn die Soireen und Matineen in der Leipziger Straße 3 in Berlin sind landesweit berühmt.
Dort wo heute der deutsche Bundesrat seinen Sitz hat und Politikerinnen und Politiker für und über die Rechte der Frauen streiten, war Fannys musikalische Wirkungsstätte. Im großzügigen elterlichen Gartenhaus wechselte sie sich mit Felix bei der Leitung der „Sonntagsmusiken“ ab, einer Institution im Berliner Musikleben. Der Dichter und Journalist Ludwig Rellstab nannte die „Hauskonzerte“ bei den Mendelssohns „ein künstlerisches Fest seltenster Art, wo die classischen Werke der älteren, wie die besten der neueren Zeit in sorgfältigster Ausführung gehört wurden und der Genuss sich durch die Mitwirkung oder Anwesenheit der ausgezeichnetsten Künstler erhöhte, die unserer Stadt angehörten oder sie als Fremde aufsuchten.“ Mitglieder der königlichen Hofkapelle bildeten das keineswegs bescheidene Orchester, das vor der Berliner Wirtschafts- und Kulturelite und deren Gästen „halb im offenen Gartensaale, halb im parkartigen Garten“ regelmäßig aufspielte.
Als sich Fanny 1830 einmal darüber beklagte, die Geburt ihres Sohnes Sebastian halte sie von der musikalischen Tätigkeit ab, antwortete ihr Felix: „Ich wünsche Dir, was irgend Dein Herz begehrt, ich will Dir also auch ein halb Dutzend Melodien wünschen, es wird aber nichts helfen.“ Das war nun keine arrogante Geringschätzung der schwesterlichen Leistungen, sondern ein pures Selbstbekenntnis. Denn der Bruder empfand das Komponieren, Dirigieren und Publizieren von Musik nicht nur als heiligen Auftrag, sondern – trotz aller Genialität – auch als mühevolles Geschäft. Allen Ernsts fügte er hinzu: „Wenn ich mein Kind zu päppeln hätte, so wollte ich keine Partitur schreiben… Aber im Ernst, das Kind ist noch kein halbes Jahr alt, und Du willst schon andere Ideen haben, als Sebastian? (nicht Bach)!“
Quartett der Zukunft
Das Streichquartett Es-Dur entstand im Jahre 1834. Es blieb das einzige Werk dieses Genres von Fanny Hensel. Felix war der erste, der es zu sehen bekam. Er lobte, nörgelte aber auch: „Willst Du mir eine kleine Kritikerbemerkung erlauben, so betrifft sie die Schreibart des Ganzen oder, wenn Du willst, die Form. Ich möchte, daß Du mehr auf eine bestimmte Form, namentlich in der Modulation sähest – wenn solche Form zerschlagen werden kann, ist es freilich gut, aber dann muß der Inhalt sie von selbst zerschlagen, durch innere Nothwendigkeit; ohne das wird das Stück durch solche neue oder ungewöhnliche Wendung der Form und Modulation nur unbestimmter, zerfließt mehr. Ich habe denselben Fehler in manchen neuern Sachen an mir bemerkt, und habe deshalb gut reden, weiß nicht ob ichs besser machen kann …“ Interessant ist vor allem der letzte Satz, den Felix spricht auch in dieser „Kritik“ mehr von sich als von seiner Schwester. Vielleicht war genau dies sein Vermächtnis im f-Moll-Quartett op. 80. Das Requiem auf Fanny löste die Bande von seinem Herzen, mit denen er viele Jahre lang – im besten Wissen und Gewissen – auch sie zu binden versucht hatte.
Gleichwohl akzeptierte die Schwester die Einwände des geliebten Bruders und suchte nach Erklärungen für ihr Tun: „Ich habe nachgedacht, wie ich, eigentlich gar nicht excentrische oder hypersentimentale Person zu der weichlichen Schreibart komme? Ich glaube, es kommt daher, daß wir grade mit Beethovens letzter Zeit jung waren, u. dessen Art u. Weise wir billig, sehr in uns aufgenommen haben. Sie ist doch gar zu rührend u. eindringlich. Du hast Dich durchgelebt u. durchgeschrieben, u. ich bin drin stecken geblieben, aber ohne die Kraft, durch die die Weichheit allein bestehen kann u. soll. Daher glaub ich auch, hast Du den rechten Punkt über mich getroffen oder ausgesprochen. Es ist nicht sowohl die Schreibart, an der es fehlt, als ein gewisses Lebensprinzip, u. diesem Mangel zufolge sterben meine längern Sachen in ihrer Jugend an Altersschwäche, es fehlt mir die Kraft, die Gedanken gehörig festzuhalten, ihnen die nöthige Consistenz zu geben. Daher gelingen mir am besten Lieder, wozu nur allenfalls ein hübscher Einfall ohne viel Kraft der Durchführung gehört.“
Genug der Selbstkritik. Fanny Hensels Streichquartett fußt tatsächlich auf der Aura der späten Beethoven-Quartette. Auch der hat dort die einst von ihm selbst befestigte Sonatenhauptsatzform gehörig ausgehebelt und sich formale Freiheiten genommen, die Felix Mendelssohn nur selten und wenn, dann ansatzweise gewagt hat. Fanny Hensels Streichquartett ist insofern vielleicht ein moderneres Werk als die Quartette ihres Bruders, nämlich eine – wie es der Herausgeber der Partitur, Günter Marx, formulierte –Zusammenstellung von „Fantasiestücken“ im romantischen Sinne. Denn Fanny Hensels Streichquartett erlebt, wie viele weitere Kompositionen von Frauen des 19. Jahrhunderts, erst jetzt seine Renaissance. Zu ihren Lebzeiten wurde nur das Klaviertrio d-Moll op. post. 11 gedruckt, nicht zuletzt, weil Felix davon schwer beeindruckt war. Fanny, lakonisch: „Kräht ja doch kein Hahn danach und tanzt niemand nach meiner Pfeife.“ Da wollen wir ihr heftig widersprechen!
Richard Polle
Richard Polle wurde in einer Musikerfamilie geboren. Als Sechsjähriger erhielt er seinen ersten Geigenunterricht bei seiner Mutter. Mit 12 Jahren begann Richard seine Ausbildung als Jungstudent an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar bei Jost Witter und setzte diese zwei Jahre später am Musikgymnasium Schloss Belvedere Weimar fort. Er absolvierte sein Bachelorstudium bei Josef Rissin an der Hochschule für Musik Karlsruhe mit Auszeichnung und seinen Master bei Antje Weithaas an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin.
Er gewann zahlreiche nationale und internationale Wettbewerbe. So errang er erste Preise und Sonderpreise in der Solowertung und im Duo beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“, beim internationalen Violinwettbewerben „Postacchini“ in Fermo (Italien), „Villa de Llanes“ in Llanes (Spanien), war Preisträger beim internationalen Violinwettbewerb „Kocian“ in Ústí nad Orlicí (Tschechische Republik), beim internationalen Bodensee-Violinwettbewerb und beim Wettbewerb des Kulturfonds Baden e.V.
Er konzertierte mit dem Kammerorchester der Rheinischen Philharmonie Koblenz, der Thüringen Philharmonie Gotha/Suhl, dem Philharmonischen Orchester Erfurt, der Philharmonie der Stadt Kirow (Russland), dem Jungen Sinfonieorchester Berlin, dem Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim sowie dem Kurpfälzischen Kammerorchester Mannheim und nahm an mehreren Meisterkursen, u.a. bei Thomas Christian, Olga Parkhomenko, Roman Nodel, Ana Chumachenko, Boris Garlitsky und Jörg Widmann teil.
Richard Polle war Stipendiat des Kultusministeriums Thüringen, der Sparkassenstiftung Erfurt, des Freundeskreises der Hochschule für Musik Karlsruhe, des Musikinstrumentenfonds der Deutschen Stiftung Musikleben und erhielt das Gerd Bucerius Förderstipendium der ZEIT-Stiftung in der Deutschen Stiftung Musikleben.
Von 2014 bis 2016 war er Stipendiat in der Orchesterakademie des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin und seit 2016 festes Mitglied der Ersten Violinen.
Ania Bara-Rast
Das Violinstudium begann die Geigerin Ania Bara-Rast als Jungstudentin in der Frühförderklasse von Conrad von der Goltz in Regensburg und setzte nach dem Abitur ihr Hauptstudium in der Klasse von Krzysztof Wegrzyn an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover fort. Den Bachelor schloss sie mit Bestnote ab, ebenso ihr Masterstudium an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg bei Tanja Becker-Bender.
Besondere musikalische Impulse erhielt sie in zahlreichen Meisterkursen bei Professoren wie u.a. Maxim Vengerov, Mauricio Fuks, Ulf Wallin und Nora Chastain. Beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ erspielte sie sowohl solistisch, als auch in kammermusikalischen Besetzungen mehrere Bundespreise.
Sie war Konzertmeisterin im Landesjugendorchester Bayern und Mitglied in renommierten Jugendorchestern, wie dem Bundesjugendorchester Deutschland, dem Schleswig-Holstein-Musik-Festival Orchester und dem Gustav Mahler Jugendorchester. Seit 2012 spielte Ania als Praktikantin in der NDR Radiophilharmonie Hannover, wurde zur Saison 2013/2014 in die Akademie des NDR Elbphilharmonie Orchesters Hamburg aufgenommen und war außerdem Stipendiatin der Deutschen Kammerakademie Neuss. Im Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin spielt sie seit 2016 in der Gruppe der 2. Violinen. Seit 2021 ist sie zudem 2. Violinistin im Orchester der Bayreuther Festspiele.
Alejandro Regueira Caumel
Alejandro Regueira Caumel, geboren 1991 in Málaga/Spanien, begann als Sechsjähriger mit dem Geigen- und Klavierspiel. In Madrid studierte er bei Anna Baget und wechselte 2008 als Bratschist zu Dionisio Rodríguez. 2009 kam er nach Deutschland und studierte an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ bei Pauline Sachse und Tabea Zimmermann. Meisterklassen bei Wilfried Strehle, Andreas Willwohl, Roberto Díaz, Felix Schwartz und Jean Sulem ergänzten seine Ausbildung.
Einen besonderen Schwerpunkt in seiner bisherigen Laufbahn stellt die Kammermusik dar. So nahm er am Kammermusik-Festival der „Kronberg Academy“ und an der „Seiji Ozawa International Academy Switzerland“ teil, trat wiederholt mit dem Frielinghaus Ensemble auf und ist regelmäßig bei Kammermusik Festivals wie dem „Festival Ribeira Sacra“ oder im Nikolaisaal Potsdam zu hören. Außerdem gewann er erste Preise bei verschiedenen Wettbewerben, darunter beim „Concurso Ibérico de Música de Cámara con Arpa“ (im Duo mit der Harfenistin Maud Edenwald), beim XII. Internationalen Wettbewerb für Viola und Cello „Villa de Llanes“, beim „Concurso María Cristina“ für junge Solisten und beim Wettbewerb von „Jeunesses Musicales“ in Spanien.
Alejandro Regueira Caumel sammelte Orchestererfahrung als Mitglied des Gustav-Mahler-Jugendorchesters und des Spanischen Nationalen Jugendorchesters, sowie durch Aushilfetätigkeiten bei den Berliner Philharmonikern und als Solobratscher bei den Bamberger Symphonikern, bei der NDR Radiophilharmonie Hannover, im NDR Elbphilharmonie Orchester, im Philharmonia Orchestra London, im Orquestra de la Comunitat Valenciana und im Orquesta Nacional de España.
Von 2010 bis 2012 war er Akademist beim Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und ist seit 2015 dessen Solobratscher.
Andreas Kipp
Andreas Kipp, 1975 in Hameln geboren, erhielt seinen ersten Cellounterricht im Alter von sechs Jahren bei Frauke Rottler. Seine weitere musikalische Ausbildung erhielt er bei Christiane Aydintan, bis er sein Studium bei Michael Sanderling an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin aufnahm. Nach dem Diplom in Berlin ergänzte Andreas Kipp seine Ausbildung in Frankfurt am Main durch ein Aufbaustudium. Andreas Kipp war von 1995 bis 1999 Mitglied des European Union Youth Orchestra und des European Union Youth Chamber Orchestra.
Ab 1998 war er zunächst als Praktikant, später als Akademist im Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin tätig. Als Aushilfe spielte Andreas Kipp beim Mahler Chamber Orchestra, BBC Concert Orchestra und Konzerthausorchester Berlin, wo er von 2006 bis 2009 einen Zeitvertrag hatte.
Seit 1994 ist Andreas Kipp kammermusikalisch mit dem Celloquartett „Berliner Cellharmoniker“ aktiv. So ist das Ensemble Gewinner des Kammermusikwettbewerbs „Charles Hennen“ (Niederlande) sowie des Violoncello-Ensemble-Wettbewerbs in Beauvais (Frankreich) und wurde darüber hinaus mit dem Sonderpreis der Stadt Beauvais, dem EMCY-Spezialpreis „Dancing Angel“, sowie dem Förderpreis der Europäischen Kulturstiftung „Pro Europa“ ausgezeichnet.
Konzerte auf renommierten Podien und im Rahmen namhafter Musikfestivals, wie z.B. dem Rheingau oder Schleswig-Holstein Musik Festival, Auftritte in Europa, Asien und Afrika sowie diverse CD-Produktionen zeugen vom regen Engagement dieses Cross-Over-Ensembles.
Kooperation
Kooperationspartner am 24. März 2024
Bildquellen
Bilder Musiker © Peter Meisel