

Digitales Programm
Sa 28.06. Thomas Adès
20:00 Philharmonie
Claude Debussy
„Rondes de printemps“ aus „Images“ für Orchester
Thomas Adès
Moderation von Thomas Adès
„Dawn“ – Chacony for orchestra at any distance
„Lieux retrouvés“ für Violoncello und Klavier (Fassung für Violoncello und Orchester)
Pause
Mark Simpson
„Israfel“ für Orchester
Jean Sibelius
Sinfonie Nr. 7 C-Dur op. 105
Besetzung
Thomas Adès, Dirigent
Nicolas Altstaedt, Violoncello
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Konzerteinführung: 19.10 Uhr, Südfoyer, Dr. Christiane Albiez
Konzert mit Deutschlandfunk, Übertragung am 27. Juli 2025, 21.05 Uhr.
Schelmische Melancholie
Vom rauschenden Frühlingsreigen über den immerwährenden Sonnenaufgang bis hin zur Sinfonie des ewigen Fließens – Thomas Adès blitzt der Schalk aus den todernsten Augen, wo und wann auch immer der dirigierende Komponist aus England sein Publikum zu bezaubern weiß. Zum zweiten Mal beim RSB in Berlin zu Gast, leitet er außer dem so beseelt singenden wie sprühend blitzenden, eigenen Cellokonzert „Lieux retrouvés“ (Wiedergefundene Orte – bezogen auf Paris) die opulente sinfonische Dichtung „Rondes de printemps“ von Claude Debussy. Dazwischen findet eine Chaconne für das im Raum verteilte Orchester Platz – mit der immergleichen Melodie nacheinander den Sonnenaufgang an verschiedenen Orten der Erde versinnbildlichend.
Adès‘ geschätzter Kollege Mark Simpson ließ sich von dem im Koran erwähnten Erzengel Israfel („dessen Herzens-Saiten eine Laute sind und der von allen Geschöpfen Gottes die süßeste Stimme besitzt“) zu einem epischen Orchestergesang inspirieren, für den er Edgar Allan Poes Israfel-Verse als Gleichnis heranzog. Am Ende fließen alle Ströme auseinander und wieder zusammen – in Jean Sibelius‘ geheimnisvoll mäandernder letzter Sinfonie, diesem Riesensatz über ein einziges musikalisches Thema.
"Muss es sein?" Der Konzertpodcast
Claude Debussy
„Rondes de printemps“ aus „Images“ für Orchester


Claude de France
Thomas Adès
„Dawn“ – Chacony for orchestra at any distance


Mit einer Chaconne um die Welt
Thomas Adès
„Lieux retrouvés“ - Fassung für Violoncello und Orchester


Mit Gebrüll und Getrommel?

Ein Zeitgenosse in aller Ohren
Drei Verlage bewarben sich 1989 bei einem 18-jährigen Komponisten um sein erstes Werk, noch bevor der überhaupt sein Kompositionsstudium begonnen hatte. Thomas Adès kann sich über mangelnden Zuspruch nicht beklagen.
Ausgebildet als Pianist an der Guildhall School of Music und am King’s College in Cambridge, 18-jährig dekoriert mit dem 2. Preis des BBC Young Musician of the Year, gab Thomas Adès im Alter von 22 Jahren seinen ersten umjubelten Klavierabend in London und begann damit eine Karriere als Pianist. Noch vor seinem 30. Lebensjahr wurde er Künstlerischer Leiter des berühmten, von Benjamin Britten begründeten Festivals in Aldeburgh, außerdem Musikdirektor der Birmingham Contemporary Music Group und Inhaber der begehrten Britten-Professur an der Royal Academy of Music.
Thomas Adès betrat 1995 musiktheatralisches Gebiet. Seine Kammeroper „Powder Her Face“ dirigierte er erstmals auf dem Cheltenham Festival. Weitere Opernaufträge erreichten Thomas Adés vom Royal Opera House Covent Garden („The Tempest“ nach Shakespeare, 2004), vom Glyndebourne Festival und von den Salzburger Festspielen („The Extermining Angel“, 2016). Einen Meilenstein bildete das Orchesterwerk „Asyla“, 1997 beauftragt vom City of Birmingham Symphony Orchestra und Simon Rattle. 1998 gab Thomas Adès sein Debüt bei den legendären BBC Proms – als Pianist, Dirigent und Komponist in einer Person mit seinem „Concerto Conciso“. Im Herbst 2005 fand in der Berliner Philharmonie die Uraufführung seines Violinkonzertes statt – ein Auftragswerk der Berliner Festspiele und des Los Angeles Philharmonic Orchestra. Unter seinen zahlreichen Kompositions- und Schallplattenpreisen ragt der Grawemeyer Prize heraus. Thomas Adés gewann den bedeutendsten Kompositionspreis der Welt im Jahr 2000 als jüngster Kandidat, der je für einen Grawemeyer Prize vorgeschlagen wurde.
Am 22. April 2018 trat der Komponist zum ersten Mal als Dirigent auch vor das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, um selber sein Orchesterwerk „Totentanz“ zu dirigieren. Zuvor waren beim RSB schon Adès‘ Orchesterwerke „But All Shall Be Well“ (2006) und „America. A Prophecy“ (2007) erklungen. 2023 dirigierte Vladimir Jurowski die Berliner Premiere des Konzertes für Klavier und Orchester aus dem Jahre 2018, Solist war der mit Thomas Adès befreundete Pianist Kirill Gerstein.







„Und der Engel Israfel, dessen Herz eine Laute ist und der die süßeste Stimme von allen Geschöpfen Gottes hat.“
(aus dem Koran)
Mark Simpson
„Israfel“ für Orchester
Jean Sibelius
Sinfonie Nr. 7 C-Dur op. 105


Musik beginnt, wo Worte aufhören

Alles fließt
Gerade in seiner letzten Sinfonie treibt Sibelius die Idee von der sich selbst generierenden Form auf die Spitze. Zur Einsätzigkeit und zum fast durchgehenden 6/4-Takt hinzu kommt eine quasi monothematische Substanz. Einleitende Gedanken bereiten den Boden. Danach entfaltet sich die volle Pracht eines satten Streicherchores. Doch bleibt dieses Motiv Episode. Erst am Ende der Sinfonie kommt es bruchstückhaft und stark verwandelt nochmals vor. Das eigentliche Hauptthema in C-Dur tritt nach dem Ausschwingen dieses Teiles auf. Sibelius vertraut es der Solo-Posaune an. Aus dem berühmten Posaunenthema erwächst allmählich eine immer schnellere Bewegung, die den Charakter der Musik völlig verwandelt, ohne dass ein neues Thema eingeführt worden wäre. Vielmehr ertönt nun – quer dazu – eine Moll-Variante des Posaunenthemas und kontrastiert selbst den Vorgang, den es ursprünglich ausgelöst hatte.
Die Musik enthält als besondere Qualität das Phänomen des Gleichzeitigen, ohne chaotisch zu werden, im Gegenteil: Zwei Bewegungen, auf ganz und gar natürliche Weise aus einem einzigen Fluss erwachsen, der sich in zwei, dann mehrere Arme aufteilt, die jeder für sich mäandern, Inseln bilden, ruhig kreisen, wieder zusammenfinden, schneller strömen oder im Schilf verharren – das sind die Qualitäten von Sibelius‘ letzter Sinfonie.
Noch einmal beginnt das Spiel verschiedener Motive mit einer Steigerung bis zum stürmischen Presto. Schließlich erscheint ein drittes Mal das Hauptthema, nunmehr eingebettet in den Klang des gesamten Bläserchores. Gegen Ende zitiert Sibelius eine Harmoniefolge aus seinem „Valse triste“ (1904). Kündigt sich hier der Abschied an? Den Ausklang bildet eine Rückführung auf die Substanz der Einleitung. Der letzte Takt mündet nach dissonanten Verästelungen in den reinen C-Dur-Akkord.
Kurzbiographien
Thomas Adès

Thomas Adès wurde 1971 in London geboren. Zu seinen Kompositionen gehören drei Opern: Die Uraufführung der jüngsten, The Exterminating Angel, dirigierte er 2016 bei den Salzburger Festspielen und anschließend an der Metropolitan Opera in New York und am Royal Opera House in London. Er dirigierte die Premiere und Wiederaufnahme von The Tempest am Royal Opera House und eine neue Produktion an der Metropolitan Opera, der Wiener Staatsoper und im November 2022 an der Mailänder Scala. Thomas leitete die Weltpremiere seines abendfüllenden Balletts The Dante Project im Covent Garden und dirigierte es im Mai 2023 an der Opéra Garnier in Paris. Im Frühjahr 2024 dirigierte er an der Opéra Bastille in Paris eine Neuproduktion von The Exterminating Angel in einer von der Kritik gelobten Inszenierung von Calixto Bieito.
Im Oktober 2024 dirigiert Thomas Adès das Gewandhausorchester Leipzig im Rahmen seiner zweijährigen Residency bei diesem Ensemble, wo er als Dirigent, Pianist und Komponist in verschiedenen Konzertformaten auftritt. Im vergangenen Herbst begann Thomas Adès auch eine zweijährige Residenz beim Hallé-Orchester – in der Saison 23/24 dirigierte er zwei Orchesterkonzerte und kuratierte ein Kammermusikprogramm. Beim ersten Auftritt in der Saison 24/25 am 21. November dirigiert Thomas Aquifer, zusammen mit seinem Air – Homage to Sibelius für Violine und Orchester, das im Mai 2024 mit dem London Symphony Orchestra uraufgeführt wurde.
Als Dirigent arbeitet Thomas regelmäßig mit dem London Symphony Orchestra, dem BBC Symphony Orchestra, dem City of Birmingham Symphony Orchestra, dem Boston Symphony Orchestra, dem Cleveland Orchestra, dem Finnischen Rundfunk, dem Royal Concertgebouw, dem Santa Cecilia Orchestra, dem Toronto Symphony Orchestra, dem Chicago Symphony Orchestra, dem Los Angeles Philharmonic Orchestra, der Tschechischen Philharmonie, den Wiener Philharmonikern, dem New York Philharmonic Orchestra, den Berliner Philharmonikern und dem London Philharmonic Orchestra zusammen. Im Opernbereich dirigierte er neben The Exterminating Angel auch The Rake’s Progress am Royal Opera House und am Opernhaus Zürich sowie die Uraufführungen von drei Opern von Gerald Barry, darunter die Weltpremieren von The Importance of Being Earnest und Alice’s Adventures Under Ground in Los Angeles, die er auch in Covent Garden zur europäischen Erstaufführung brachte. Zu den weiteren Höhepunkten von 24/25 zählen Thomas‘ Konzerte mit dem Orchestre de l’Opéra national de Paris, dem London Symphony Orchestra, der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin.
Nicolas Altstaedt

Der deutsch-französische Cellist Nicolas Altstaedt ist einer der gefragtesten und vielseitigsten Künstler unserer Zeit. Als Solist, Dirigent und künstlerischer Leiter führt er ein Repertoire auf, das von der Alten Musik bis zur zeitgenössischen Musik reicht, und spielt auf historischen und modernen Instrumenten.
Seit seinem vielbeachteten Debüt mit den Wiener Philharmonikern und Gustavo Dudamel beim Lucerne Festival folgten weitere bemerkenswerte Residenzen und Kooperationen, darunter das Budapest Festival Orchestra mit Iván Fischer, das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg mit Teodor Currentzis, das Helsinki Festival mit Esa-Pekka Salonen, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin mit Robin Ticciati, das Rotterdam Philharmonic Orchestra mit Lahav Shani, Tonhalle-Orchester Zürich, Royal Stockholm Philharmonic Orchestra mit Philippe Herreweghe, Münchner Philharmoniker mit Krzysztof Urbanski, European Union Youth Orchestra mit Vasily Petrenko, alle BBC-Orchester, u. a. mit John Storgårds, Orchestre National de France mit Cristian Măcelaru, NHK und Yomiuri Nippon (mit Kazuki Yamada) Symphonieorchester, Washington’s National Symphony Orchestra sowie Sydney und New Zealand Symphonieorchester.


RSB-Abendbesetzung

Violine 1
Nebel, David
Herzog, Susanne
Yoshikawa, Kosuke
Neufeld, Andreas
Bondas, Marina
Feltz, Anne
Kynast, Karin
Ries, Ferdinand
Tast, Steffen
Yamada, Misa
Behrens, Susanne
Shalyha, Bohdan
Stoyanovich, Sophia
Bernsdorf, Romina
Kim, Myung Joo
Hildebrandt, Laura

Violine 2
Kurochkin, Oleh
Simon, Maximilian
Drop, David
Petzold, Sylvia
Buczkowski, Maciej
Draganov, Brigitte
Hetzel de Fonseka, Neela
Manyak, Juliane
Palascino, Enrico
Seidel, Anne-Kathrin
Bauza, Rodrigo
Sak, Muge
Cazac, Cristina
Drechsel, Franziska

Viola
Regueira-Caumel, Alejandro
Adrion, Gernot
Zolotova, Elizaveta
Doubovikov, Alexey
Drop, Jana
Montes, Carolina
Sullivan, Nancy
Roske, Martha
Yu, Yue
Shin, Hyeri
Zappa, Francesca

Violoncello
Stemmler, Peter-Philipp
Weiche, Volkmar
Albrecht, Peter
Bard, Christian
Boge, Georg
Kipp, Andreas
Weigle, Andreas
Meiser, Oliwia
Raudszus, Christian
Walmsley, Gregory

Kontrabass
Wagner, Marvin
Figueiredo, Pedro
Ahrens, Iris
Buschmann, Axel
Gazale, Nhassim
Schwärsky, Georg
Yeung, Yuen Kiu Marco
Koscic, Dusan

Flöte
Zust, Brina
Schreiter, Markus
Dallmann, Franziska

Oboe
Gavilan, Ana
Vogler, Gudrun
Herzog, Thomas

Klarinette
Kern Michael
Pfeifer, Peter
Zacharias, Ann-Kathrin

Fagott
Kofler, Miriam
Voigt, Alexander
Königstedt, Clemens
Shih, Yisol

Horn
Kühner, Martin
Holjewilken, Uwe
Mentzen, Anne
Hetzel de Fonseka, Felix

Trompete
Coker, Alper
Ranch, Lars
Hofer, Patrik

Posaune
Pollock, Louise
Hauer, Dominik
Lehmann, Jörg

Tuba
Kraft, Dorian

Harfe
Edenwald, Maud
Barbera, Leia

Percussion
Tackmann, Frank
Thiersch, Konstantin
Ellwanger, JOhannes
Schmidt, Henrik-Magnus

Pauke
Eschenburg, Jakob

Klavier
Syperek, Markus
Cembalo
Ginzery, Enikö
Kooperation


Foto-/ Videorechte
Thomas Adès © Marco Borggreve
Thomas Adès © Mathias Benguigui
Nicolas Altstaedt © Marco Borggreve
RSB in der Philharmonie © Peter Meisel
Bilder Orchesterprobe © Junye Shen