Digitales Programm

Fr 08.12. Andrew Manze

20:00 Konzerthaus

William Walton

Konzert für Viola und Orchester

Pause

Edward Elgar

Sinfonie Nr. 1 As-Dur op. 55

Besetzung

Andrew Manze, Dirigent

Tabea Zimmermann, Viola

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin

 

Konzerteinführung: 19.10 Uhr, Ludwig-van-Beethoven-Saal, Konzerteinführung von Steffen Georgi

Das Konzert wird am 31.12.2023 um 21.05 Uhr auf Deutschlandfunk übertragen.

Podcast „Muss es sein?“

Werke

William Walton

Konzert für Viola und Orchester

Schönheit um jeden Preis

Welcher Komponist wurde am 29. März 1902 in Oldham/ Lancashire geboren und beendete seinen Lebensabend am 8. März 1983 auf der idyllischen Insel Ischia? Diese Frage würde jeden deutschen Quizkandidaten trotz aller Joker und Hilfestellungen in die Falle der Ahnungslosigkeit tappen lassen.

Sir William Turner Walton kommt als Sohn des Chorleiters und Gesangslehrers Charles Walton und der Sängerin Louisa Turner zur Welt. Klavier- und Violinstunden vermochten kaum sein Interesse zu wecken. Aber das Singen als Chorknabe an der Christ Church Cathedral in Oxford spornt seinen musikalischen Elan an. Er komponiert im Alter von zwölf Jahren erste Chor- und Orgelwerke. Trotz eines Studiums an der renommierten Universität in Oxford bleibt William Walton ohne akademischen Grad und ohne abgeschlossene musikalische Ausbildung.

Der junge Mann hat Glück. Private Gönner, u.a. die Brüder Osbert und Sacheverell Sitwell, ermöglichen ihm ab 1920 ein Leben als freier Komponist. 1923 tritt William Walton mit einem Paukenschlag auf die Bühne der Kunst: „Façade“, ein Werk nach 21 experimentellen Gedichten der Schwester der Sitwell-Brüder, Edith Sitwell, braucht sich hinter Kurt Weills Songs, Eric Saties Chansons oder Arnold Schönbergs „Brettl“-Liedern nicht zu verstecken. In einem Gedicht, „Aubade“, beschreibt sich die Autorin selber: „ein Kranich, kein Perlhuhn; ein Windhund, kein Pekinese.“

Mehr mit Charakter als mit Schönheit gesegnet, stilisiert sie ihr Erscheinungsbild mit außergewöhnlichen Kleidern, Schmuck und Hüten.

Portrait von Edith Sitwell (1887-1964)

So versinkt sie nie in der Masse, sondern bietet einen eher schwer zu verdrängenden Anblick. In den 1920-ern gewinnen Dame Sitwell und ihre Brüder mit einem eigenen literarischen Zirkel Einfluss. William Walton und Edith Sitwell treten mit dem Lied-/Gedichtzyklus „Façade“ gemeinsam auf. Er spielt die Musik auf dem Klavier, sie spricht/ singt durch eine Art Megaphon. Die Zuschauer verlassen tumultartig und unter lauten Schmähungen die Aeolian Hall.

Talent zum Erfolg

Doch William Walton hat reichlich Ideen, wie man oben bleibt. Mit untrüglichem Gespür für Menschliches, Allzumenschliches, versteht er es vor allem, Frauen zu beeindrucken und für sich zu gewinnen. Auch seine Musik weiß davon im Wortsinn nicht nur ein Lied zu singen. Denn bereits mit dem nächsten großen Werk, dem Violakonzert, schwenkt William Walton 1929 in „normale“, neoklassizistische Fahrwasser ein. 1931 kommt beim Leeds Festival „Belshazzar’s Feast“ heraus. Das Oratorium wird eines der wichtigsten englischen Chorwerke des 20. Jahrhunderts. Ab 1934 arbeitet Walton auf Initiative des Regisseurs Paul Czinner auch als Filmkomponist, was ihm erstmalig zu geregelten Einkünften verhilft. Walton, der langsam und bedächtig komponiert, tummelt sich zwar in vielen musikalischen Genres, legt aber für die meisten nur ein einziges Werk vor – mit Ausnahme der Filmmusik. Der legendäre amerikanische Geiger Jascha Heifetz ist auf William Walton aufmerksam geworden und erteilt ihm 1939 den Auftrag zu einem Violinkonzert. 1957 folgt als drittes Solokonzert ein Violoncellokonzert, ein Auftrag von Gregor Piatigorsky.

Nach seiner Hochzeit mit der jungen Argentinierin Susana Gil zieht sich Walton 1948 nach Ischia zurück. Es entstehen ein Streichquartett, eine Violinsonate und eine Oper. Im höheren Lebensalter nimmt Walton gelegentlich Einladungen als Dirigent an und beschränkt das Komponieren auf lukrative Auftragswerke.

Das Paar gründet die Fondazione William Walton, einen Verbund von zwölf malerischen, als Naturschutzgebiet ausgewiesenen Gärten in La Mortella auf Ischia. Bis zu ihrem Tod im Jahre 2010 sorgt Lady Susana Walton dafür, dass sich Touristen in diesem Paradies auf Erden wohl fühlen.

Männlich - weiblich

Paradiesisch, von einem unbedingten Willen zu Schönheit und Harmonie durchdrungen, ist das Konzert für Viola und Orchester aus den Jahren 1928/1929, das der 26-jährige William Walton auf Anregung des Dirigenten Thomas Beecham komponierte. Auserkoren für die Uraufführung war der seinerzeit berühmte Bratschist Lionel Tertis.

Doch Tertis lehnte ab, so dass der Deutsche Paul Hindemith, ein Komponist und Bratscher, der kurz vorher ein eigenes Bratschenkonzert hatte selber spielen müssen, weil es von den Interpreten als unspielbar abgelehnt worden war, die Uraufführung von Waltons neuem Werk in einem Londoner Promenadenkonzert im Herbst 1929 übernahm.

Die Komposition traf den Nerv der Zeit, seine schiere Schönheit bezauberte die Zuhörer, so dass sogar Tertis sich bereit erklärte, für die Drucklegung 1930 die Bratschenstimme einzurichten und das Konzert später noch häufig aufzuführen.

Formal orientiert sich das Werk voll und ganz am klassisch-romantischen Modell, wie die meisten der in der neoklassizistischen Phase der 1920er- und 1930er-Jahre entstandenen Solokonzerte, namentlich jene für Streichinstrumente. Vom ersten Ton an versteht es Walton, den spezifischen Bratschenton zu bedienen: edel, sonor, anmutig, leidenschaftlich. Schön wie ein Tagtraum entrollt sich das erste Thema im ersten Satz, einem gemächlichen Andante comodo. Erst mit dem zweiten Thema wechselt allmählich die Szene, leitet eine neue Episode ein. Sie wirkt aktiver, energischer als die erste, wird zunehmend rhythmischer, moderner. Die Vortragsanweisungen in der Partitur ändern sich von „espressivo“ zu „martellato“. Allerdings währt die Zuspitzung nur kurz, bereitet gar den Boden für eine neuerliche Verzückung in Poesie und Idylle. Eingeleitet von Flöte und Klarinette, ergeht sich die lockende, sinnliche Solo-Viola in elegischen Sext-Doppelgriffen „molto espressivo e rubato“. Dem Auftrumpfen des Orchesters folgt ein Abebben bis zum dynamischen Nullpunkt. Dies bietet dem Soloinstrument eine weitere Chance zu individuellen Dialogen mit Gleichgesinnten, es sollen diesmal die Holzbläser sein. Der Satz findet einen friedlichen Ausklang.

Zart besaitet?

Mit dem Bratschenkonzert hat William Walton einmal mehr ein zentrales Thema der Kunst des 20. Jahrhunderts aufgegriffen: die Auseinandersetzung um das Verhältnis zwischen Individuum und Masse, um Selbstbehauptung in einer sozialen Hierarchie. So stürzt sich der zweite Satz, ein motorisch-geschäftiges Scherzo, beherzt ins moderne Getümmel. Spritzig fliegen die motivischen Bälle hin und her. Energisch pochen die vom Technikfieber dominierten Rhythmen. Es gilt für die Solistin, ihr Instrument, die Viola, gehörig zu zausen.

Tabea Zimmermann spielt die Originalfassung von 1929, wo sie sich gegen ein klangstarkes Orchester durchzusetzen hat.

William Walton revidierte später das Werk, indem er 1961 die Orchesterbesetzung einerseits reduzierte, andererseits zusätzlich eine Harfe vorsah. „Das ist eine Musik, die irgendwie virtuos, aber nicht aufdringlich ist, dennoch stellenweise kühn und ausgelassen, zugleich zutiefst intim, mit einem Potential zu nostalgischer Reflexion, niemals nur traurig oder zögerlich und auf diese Weise ein emotionales Muster für den Rest von Waltons Werk.“ (Julian Haylock)

Das Finale fasst zusammen. Es holt die Anmut zurück, reichert sie an um Tänzerisches, Schwärmerisches, Spielerisches. In immer neuen, reizenden Anläufen kokettiert die Solo-Viola aufs Behutsamste im Dialog mit verschiedenen Gruppen und Solisten des Orchesters. Eine herrliche Kantilene, die so sogar von Johannes Brahms stammen könnte, steht unbekümmert neben einem modernen, lebensbejahenden Sound, wie er damals in den Londoner Music Halls oder bei amerikanischen Jazz Festivals zu hören gewesen sein könnte. Ein großes, für einen seriösen Komponisten in einem repräsentativen Werk schier obligatorisches Fugato des gesamten Orchesters – die Viola schweigt dazu – kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass alle musikalischen Gespräche während der gesamten Zeit über eine gepflegte, angenehme Konversation nicht hinausgehen.

Die Viola hat das letzte Wort. Zuerst macht sie mit Hilfe des ersten Themas des ersten Satzes den Frieden mit sich selbst. Danach gibt sie sich ein letztes Mal zart besaitet und holt mit sanften Gesten das Orchester wieder herunter vom Baum der extrovertierten Moderne.

Edward Elgar

Sinfonie Nr. 1 As-Dur op. 55

Reif von der Insel

Der Missverständnisse in der deutschen Musikwissenschaft, zumal der herablassenden, sind viele. Eines betrifft Edward Elgar. Abgesehen davon, dass bis heute keine ernsthafte deutschsprachige Elgar-Biografie existiert, ergehen sich wieder und wieder reproduzierte Lexikonartikel in vorverurteilenden Klischees und deren ungeprüfter Wiederholung – mit einer rühmlichen Ausnahme: der 2002 beim Georg-Olms-Verlag gedruckten Dissertation von Michael Gassmann.

Zum einen wird Elgar häufig als nachahmender Epigone Mahlers abqualifiziert, obwohl er – der ältere Zeitgenosse Mahlers – weder nachweisbar Kenntnis von dessen Werken genommen noch seine eigenen Sinfonien nennenswert nach den Spätwerken Mahlers komponiert hat. Zum anderen gilt Elgar als Begründer einer englischen nationalen Schule in der Musik. Es ist wohl richtig, dass England vor Elgar jahrhundertelang kein eigenes musikalisches Gesicht besaß. Aber im Vergleich zu der aus der jeweiligen nationalen Identität einer Volkskultur, aus Volkslied und Volkstanz geborenen Musiksprache etwa Dvořáks, Smetanas, Sibelius’, Griegs, Bartóks, Mussorgskis oder Rimski-Korsakows war Edward Elgar ein ausgesprochener Europäer. Gerade in seinen Sinfonien kannte er keine Vorbilder, es sei denn die deutschen von Beethoven, Brahms, Schumann. So erweist sich Edward Elgar nicht nur physisch als wahrer Zeitgenosse von Richard Wagner und Richard Strauss, sondern als ein höchst origineller Fortdenker der mitteleuropäischen Richtungen innerhalb der sinfonischen Musik des 19. Jahrhunderts.

Master of the King’s Music

Mehr als 40 Jahre brauchte es, bis sich der „Provinzler“ Elgar aus dem väterlichen Haus eines Musikalienhändlers und Organisten bis zu seinem Platz als „einer der größten Musiker unserer Zeit“ (Richard Strauss) vorgearbeitet hatte.

„… ein richtiger Strom von Musik floss durch unser Haus und unseren kleinen Laden und ich badete darin“, erinnerte er sich an seine Kindheit in Broadheath bei Worcester...“

„...Dort erlernte er zwar nicht im Schlaf, aber quasi „beim Baden“ das Klavier-, das Orgel-, das Fagott-, das Violin-, das Viola-, das Violoncello- und das Kontrabassspiel – ohne fremde Hilfe, ohne Lehrer, ohne Unterricht! Erst 1877 unterrichtete ihn der Geiger Adolf Pollitzer. Elgar wirkte als Orchestermusiker und als Dirigent von Laien-Chorvereinigungen und -Orchestern. Ein Aufenthalt in Leipzig und der Besuch von Gewandhauskonzerten (1882) wurde zur Initialzündung für seine Entscheidung, Komponist zu werden. 1885 übernahm Elgar von seinem Vater das Organistenamt in Worcester und führte zunächst ein völlig abgeschiedenes Dasein als provinzieller Violinlehrer und Gelegenheitskomponist mit lokalen Aufgaben in Worcester und Birmingham.

Auch nach seiner Hochzeit mit der Offizierstochter Caroline Alice Roberts verbesserte sich die Lage des jungen Paares anfangs nicht. Die Londoner Verleger und Konzertveranstalter ignorierten den Komponisten Elgar. In Worcestershire, wohin sich Elgar 1891 zurückgezogen hatte, entstanden zwischen 1892 und 1899 eine Reihe vokalsinfonischer und orchestraler Werke (u.a. das Oratorium „Lux Christi“ und die Kantate „King Olaf“), von denen einige über ihre lokale Bestimmung für örtliche Musikfeste hinaus bekannt wurden. Elgar rückte allmählich ins öffentliche Interesse, nicht zuletzt dank seines Habitus als vollendeter britischer Gentleman, was besonders auf die einflussreichen Verwandten seiner Frau und andere Angehörige des englischen Hochadels tiefen Eindruck machte. Nicht mit Hilfe, sondern am akademischen englischen Musikleben seiner Zeit vorbei schloss Elgar zur europäischen Avantgarde auf. Die Uraufführungen der „Enigma“-Variationen (1899) und des Oratoriums „The Dream of Gerontius“ (1900) erzielten in London und Birmingham unter der Leitung des berühmten Wagner- und Brahms-Dirigenten Hans Richter große Erfolge. Elgar wurden in den folgenden Jahren höchste nationale und internationale Anerkennung zuteil, darunter acht Ehrendoktorwürden (zuerst 1900 in Cambridge). 1904 erhob ihn der König in den Adelsstand. 1924 wurde Sir Edward zum Master of the King’s Music ernannt.

Die Edwardianische Epoche

Geprägt von der deutschen Musik des späten 19. Jahrhunderts, verleugnet Elgars Stil nicht die Nähe zu Liszt, Wagner und Strauss. Der Gene­rationsgenosse von Mahler, Debussy und Sibelius identifizierte sich mit dem viktorianischen Eng­land zu einer Zeit, als die wirtschaftliche Vormachtstellung des British Empire als unantastbar galt.

Der Schwerpunkt sei­nes kompositorischen Schaffens ereignete sich zwischen 1899 und 1911, zeitgleich mit der „edwardianischen“ Epoche, der Regentschaft des Nachfolgers von Königin Victoria, König Edward VII. Wirtschaftlicher Wohlstand und Blüte von Kunst und Kultur gingen damals einher mit Industrierevolution und Massenarbeitslosigkeit. Soziale Spannungen mündeten in die Angst vor Krisen und Krieg.Elgar war ein musikalischer Repräsentant dieser Epoche, ihres Lebensgefühls. Dazu gehörten auch grübleri­sche und pessimistische Töne, eine spätromantische Flucht in die ritterliche Vergangenheit wie in die verklärte Kindheit. Bei Elgar stand dem Wunsch nach Anerkennung stets ein Bedürfnis nach Abgeschiedenheit entgegen, religiöse Zuversicht ging einher mit einer pessimistischen Weltsicht und sorgte für die produktiven Spannungen seiner Musik. All diese Eigenschaften weisen ihn als sensiblen Zeitgenossen aus, dem es nicht eingefallen wäre, andere sensible Zeitgenossen zu kopieren.

Für Schumann und Brahms

Der erwähnte Hans Richter, Uraufführungsdirigent u.a. von Wagners „Siegfried“ und „Götterdämmerung (1876), von Brahms’ Sinfonie Nr. 2 (1877), von Tschaikowskys Violinkonzert (1881), von Bruckners Sinfonien Nr. 1, 4, 7 und 8 sowie „Überbringer“ der Slawischen Tänze Dvořáks nach London (1883), stand seit seinem fachkundigen Einsatz für Elgars frühere Werke hoch in der Gunst des Engländers als möglicher Adressat einer Sinfonie.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich Elgar als Komponist intensiv mit der von Richter verkörperten Ästhetik auseinandersetzt. Dazu gehört, dass er sich mit einem Beitrag zur Gattung Sinfonie bewusst auf die Seite von Brahms stellt.

Die Ähnlichkeit der Elgarschen Themen zu Brahms’ Sinfonie Nr. 3 ist dabei mehrschichtig zu bewerten. Zum einen erweist Elgar als Komponist einem ihm tief vertrauten und bewunderten Werk die Ehre, zum zweiten huldigt er dem Dirigenten Hans Richter und zum dritten bekennt er sich zur Zukunft des sinfonischen Weges, wie ihn Brahms eingeschlagen hatte. Nur eines tut Elgar mit Sicherheit nicht: Brahms im Sinne eines plumpen Plagiats zu kopieren.

Ein zweiter Gewährsmann für Elgars Sinfonie Nr. 1 ist Robert Schumann, konkret dessen Sinfonie Nr. 2, die Elgar ebenfalls studiert und oft dirigiert hat. Von Schumann übernimmt Elgar die Finallösung – die eben in Brahms’ Dritter abhandengekommen ist – und die Vertauschung der Mittelsätze. Auch hier finden sich motivische Referenzen, in den Scherzi der beiden Sinfonien von Schumann und Elgar. Elgars geniale Erfindungsgabe beflügelt ihn immer wieder zu einem „hohen Ton“ seiner Themen. Das ist in all seinen Werken von den „Enigma“-Variationen über die berühmten Märsche „Pomp and Circumstances“ bis hin zum Violoncellokonzert zu beobachten. In der Sinfonie Nr. 1 gehen Vortragsanweisungen wie „nobilmente e semplice“ mit einem formalen Konzept einher, das den „hohen Ton“ durchaus in beethovenschem Sinn erst ganz zum Schluss siegreich erscheinen lässt. Dieser „Sieg“ des „Nobilmente“ ereignet sich beziehungsreich zu Lasten des zweiten Wesenszuges der Sinfonie, des oft mit Elgar ausschließlich verknüpften „militärischen“ Tones! Davon kündet nicht unbedingt der Schluss des Finales, wohl aber der gesamte motivisch-thematische Verlauf der gesamten Sinfonie und damit deren eigentliche Substanz.

Bei der ersten Probe zur Uraufführung der Sinfonie Nr. 1 von Edward Elgar kündigte Hans Richter den Musikern des Hallé-Orchesters in Manchester an: „Meine Herren, wir wollen jetzt die größte Sinfonie der Gegenwart, nicht nur dieses Landes, proben“. Das Publikum teilte offenbar Richters Ansicht über das Werk.

Elgars Freund August Jaeger, der „Nimrod“ seiner „Enigma“-Variationen, berichtete: „Die Atmosphäre war elektrisch aufgeladen… Ich habe nach einer Neuheit nie einen derart begeisterten Applaus oder ein solches Schreien gehört.“ Ein Jahr nach der Uraufführung war Elgars Sinfonie weltweit bereits mehr als einhundert Mal erklungen. Heute, 115 Jahre später, gehört sie, zumal in Deutschland, eher zu den Raritäten in den Konzertprogrammen.

Kurzbiographien

Andrew Manze

RSB Manze im Konzerthaus

Andrew Manze wird international als einer der anregendsten und inspirierendsten Dirigenten seiner Generation gefeiert. Seine grenzenlose Energie, seine umfassende und profunde Kenntnis des Repertoires und seine herausragenden kommunikativen Fähigkeiten machen seine außergewöhnliche künstlerische Persönlichkeit aus.
Von September 2014 bis Sommer 2023 war er Chefdirigent der NDR Radiophilharmonie in Hannover. Zahlreiche Konzerte führten ihn mit dem Orchester an Spielstätten in ganz Deutschland und Österreich, nach England und nach China. Ein Highlight der Reisen war im September 2019 das Debut der NDR Radiophilharmonie bei den BBC Proms in London unter Manzes Leitung.

Den international als Gastdirigent hochgeschätzten Manze verbindet eine langjährige Zusammenarbeit mit führenden Orchestern, darunter das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin, das Royal Stockholm Philharmonic Orchestra sowie das Scottish Chamber Orchestra. Außerdem ist er regelmäßiger Gast beim „Mostly Mozart Festival“ in New York City. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn mit dem Royal Liverpool Philharmonic Orchestra. Seit 2018/2019 ist Andrew Manze dort Principal Guest Conductor und spielt mit dem Orchester für Onyx Classics das vollständige sinfonische Werk von Ralph Vaughan Williams ein.

Tabea Zimmermann

Tabea Zimmermann ist eine Musikerin von bestechender Vielseitigkeit. Als Solistin und Kammermusikpartnerin konzertiert sie weltweit, sie unterrichtet, fördert und bringt zusammen, sitzt im Vorstand mehrerer Stiftungen und initiiert immer wieder neue Werke. Natürlich bildet ihr Instrument, die Bratsche, den Angelpunkt bei all diesen Aktivitäten. Aber je vielfältiger Zimmermanns Aufgaben in den letzten Jahren geworden sind, umso mehr kann sie sich mit ihrer ganzen Persönlichkeit einbringen: mit ihrer reichen Konzerterfahrung, ihrem Interesse an der Nachwuchsförderung und ihrer sozialen Verantwortung. „Für mich erfüllt sich jetzt ein jahrelanger Wunsch: dass ich Inhalte mitgestalten kann“, so ihr Resümee.

Ihre Bekanntheit verdankt Zimmermann der Bratsche. Mit elf Jahren stand die Südbadenerin erstmals auf der Bühne der Berliner Philharmonie, Wettbewerbserfolge in Genf, Paris und Budapest (1982-84) verhalfen ihr zum Durchbruch. Aber schon im Anschluss setzte sie einen eigenen Akzent, als sie einen Ruf an die Hochschule für Musik Saar annahm, wo sie mit 21 Jahren jüngste Professorin Deutschlands wurde. Der Lehrtätigkeit ist sie bis heute treu geblieben: Nach Stationen in Frankfurt und Berlin kehrte sie zum Sommersemester 2023 wieder zur Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt zurück. Auch an der Kronberg Academy und in ausgewählten Meisterkursen gibt sie ihre Begeisterung für die Musik weiter. Mit vielen ihrer Schülerinnen und Schüler hält sie auch nach deren Abschluss Kontakt und tritt oft mit ihnen gemeinsam auf.

Das RSB in der Philharmonie Berlin, Foto: Peter Meisel

RSB-Abendsbesetzung

Violine 1

Ofer, Erez
Herzog, Susanne
Yoshikawa, Kosuke
Neufeld, Andreas
Bondas, Marina
Drechsel, Franziska
Morgunowa, Anna
Kynast, Karin
Tast, Steffen
Pflüger, Maria
Polle, Richard
Yamada, Misa
Behrens, Susanne
Oleseiuk, Oleksandr
Kang, Jih
Cazac, Cristina

Violine 2

Kurochkin, Oleh
Drop, David
Petzold, Sylvia
Seidel, Anne-Kathrin
Draganov, Brigitte
Buczkowski, Maciej
Manyak, Juliane
Hetzel de Fonseka, Neela
Bauza, Rodrigo
Färber-Rambo, Juliane
Bara, Ania
Palascino, Enrico
Leung, Jonathan
Guillier, Antoine

Viola

Regueira-Caumel, Alejandro
Adrion, Gernot
Silber, Christiane
Zolotova, Elizaveta
Drop, Jana
Doubovikov, Alexey
Montes, Carolina
Nell, Lucia
Inoue, Yugo
Yoo, Hyelim
Burmeister, Daniel
Roske, Martha

Violoncello

Eschenburg, Hans-Jakob
Riemke, Ringela
Breuninger, Jörg
Weiche, Volkmar
Albrecht, Peter
Boge, Georg
Weigle, Andreas
Bard, Christian
Kipp, Andreas
Kalvelage, Anna

Kontrabass

Wagner, Marvin
Figueiredo, Pedro
Rau, Stefanie
Schwärsky, Georg
Buschmann, Axel
Ahrens, Iris
Gazale, Nhassim
Moon, Junha

Flöte

Bodoky, Gergely
Schreiter, Markus
Kronbügel, Annelie

Oboe

Grube, Florian
Vogler, Gudrun
Herzog, Thomas

Klarinette

Link, Oliver
Pfeifer, Peter
Korn, Christoph

Fagott

Kofler, Miriam
Voigt, Alexander
Königstedt, Clemens

Horn

Ember, Daniel
Holjewilken, Uwe
Mentzen, Anne
Stephan, Frank

Trompete

Ranch, Lars
Niemand, Jörg

Posaune

Manyak, Edgar
Hauer, Dominik
Lehmann, Jörg

Tuba

Neckermann, Fabian

Harfe

Edenwald, Maud
Raff, Teresa

Schlagzeug

Tackmann, Frank
Thiersch, Konstantin

Pauke

Eschenburg, Jakob

Kooperation

Das Konzert wird am 31.12.2023 um 21.05 Uhr auf Deutschlandfunk übertragen.

Bildrechte

Portrait Tabea Zimmermann © Marco Borggreve
Bilder Probe Orchester, Tabea Zimmermann und Andrew Manze © Peter Meisel