Digitales Programm
So 24.09. Rudolf Buchbinder
20:00 Konzerthaus
Joseph Haydn
Klavierkonzert D-Dur Hob XVIII:11
Wolfgang Amadeus Mozart
Klavierkonzert c-Moll KV 491
Pause
Ludwig van Beethoven
Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll op. 37
Besetzung
Rudolf Buchbinder, Klavier und Dirigent
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Das Konzert wird am 22.10.2023 um 21:05 Uhr auf Deutschlandfunk übertragen.
Rudolf Buchbinder und Beethoven, das gehört zusammen. Die 32 Klaviersonaten hat der österreichische Pianist 60 Mal weltweit zyklisch aufgeführt und hat Bücher über Beethoven geschrieben. Nun erklingt im Konzerthaus dessen Klavierkonzert Nr. 3. In der ersten Konzerthälfte stehen außerdem Haydns Klavierkonzert D-Dur und Mozarts Klavierkonzert c-Moll auf dem Programm. Das Dirigentenpult bleibt dabei ausnahmsweise leer, denn Rudolf Buchbinder dirigiert vom Klavier aus.
Folgende Texte ©Steffen Georgi
Joseph Haydn
Konzert für Klavier und Orchester D-Dur Hob XVIII:11
„Ich war kein schlechter Klavierspieler!“
Haydn kann auch das
Zwei der elf Klavierkonzerte von Joseph Haydn haben es bis in das Konzertrepertoire der Gegenwart geschafft, Nr. 4 in G-Dur und eben Nr. 11 in D-Dur. Beide sind vermutlich um das Jahr 1782 entstanden und erschienen zu Haydns Lebzeiten sowohl in Paris als auch in Wien in Druckausgaben. Sogar Kadenzen für den ersten und zweiten Satz von Haydn persönlich sind überliefert.
Die Konzerte waren sicher ursprünglich für den Gebrauch in einem konkreten Zusammenhang gedacht, zum Beispiel am Hof von Esterházy, auch wenn keine konkreten Aufführungsdaten oder Solisten bekannt sind.
Jedenfalls ist das Konzert Nr. 11 mit zwei Oboen, zwei Hörnern und Streichern (zu denen ein Fagott als Bassverstärkung hinzugenommen werden kann) so besetzt, dass es problemlos in die damalige Aufführungstradition passt. Da sich zu der Zeit das Soloinstrument eben erst vom Cembalo zum Hammerklavier zu entwickeln begann, kommt für das D-Dur-Konzert durchaus in Frage, dass Haydn es für den neuartigen Hammerflügel komponiert hat, welcher seinen Nachfolgern Mozart und Beethoven alsbald zur Selbstverständlichkeit werden sollte.
Ein klassisches Vivace eröffnet das lichterfüllte Werk. Signifikant bereitet Haydn den Einsatz des Soloinstrumentes durch ein längeres Orchesterritornell vor – eine Vorgehensweise, welche die fast zeitgleich entstandenen Werke von Mozart ebenfalls auszeichnet.
Überhaupt ist es gut möglich, dass Mozarts Aktivitäten als virtuoser Klavierspieler und brillanter Klavierkomponist in Wien bei seinem väterlichen Freund Haydn den Impuls ausgelöst haben, sich auch einmal einem solchen Werk zu widmen. Anmutig werfen sich Orchester und Soloinstrument die Bälle zu, darunter eine Sechzehntelsextole, die für Rudolf Buchbinder stets eine Gänsehautstelle darstellt. Für den zweiten Satz wählt Haydn die Satzbezeichnung „Un poco adagio“ (ein wenig langsam), wie ihm überhaupt – bei allem augenzwinkernden Humor – jegliches eitle Auftrumpfen fremd gewesen ist. Die Erhabenheit des Ausdrucks teilt dieser Haydnsche Satz etwa mit dem langsamen Satz von Mozarts d-Moll-Klavierkonzert. Für das flotte Finale steht einmal mehr die damals sehr beliebte ungarische Roma-Folklore zur Verfügung – Haydns eigener Herkunft geographisch nicht fern. Mit einer Charmeoffensive nach der anderen kommt das Klavierkonzert nach etwa 20 Minuten an sein Ziel: reine Freude im Saal.
Wolfgang Amadeus Mozart
Konzert für Klavier und Orchester c-Moll KV 491
Mozart tut es immer
Darüber hinaus verlieh er dem Konzerttyp ganz neue Züge. Aus dem Klavier als virtuosem Stichwortgeber für eine so wenig störende wie substanzlose Orchesterbegleitung entwickelte er in seiner Wiener Zeit das Klavierkonzert sinfonischen Gepräges. So steht namentlich das c-Moll-Konzert KV 491 mit seiner reichen Orchesterbesetzung und seinem gewichtigen Dialog zwischen Klavier und Orchester – der im ersten Satz vor allem mit „Ausredenlassen“ zu tun hat – Pate für Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 in c-Moll (1802).
In dem neuen Typ eines „Sinfonie-Konzertes“ kann der Pianist – also zunächst Mozart selbst – mit zahlreichen virtuosen Passagen glänzen, doch heben zunehmend „Gespräche“ zwischen Klavier und Orchester den kommunikativen Austausch auf ein neues Niveau. Der Beförderung des Orchesters zum sinfonischen Apparat korrespondiert die oft bewunderte, differenzierte Ausarbeitung der Holzbläserstimmen.
Die Klavierkonzerte KV 482, 488 und 491 verfügen über eine ausgesprochen üppige Bläserbesetzung. Nur in diesen drei Klavierkonzerten verwendet Mozart zwei Klarinetten und reichert damit die Harmoniestimmen um eine exklusive Klangfarbe an. Der Grund war wie so oft zunächst ein praktischer. Kaiser Joseph II. hatte nach 1780 den Holzbläsern seiner Wiener Hofkapelle erlaubt, sich separat und mit eigens für sie komponiertem Repertoire hören zu lassen. Mozart war mit etlichen der hervorragenden Musiker seiner Zeit befreundet und schrieb ihnen gern diverse Serenaden und sogenannte „Harmoniemusiken“, für die Holzbläser u.a. die berühmte Gran Partita KV 361 (1781). Angewandt in den Klavierkonzerten, versprach der Einsatz der Bläser nicht nur größere Klangfülle, sondern auch größere Popularität in der damaligen Hauptstadt der europäischen Musik, in Wien. Darüber hinaus ist die Konzertform dem Opernkomponisten Mozart ein ideales Medium, dramatische Konflikte auf der Ebene absoluter Musik zu gestalten. Der Konzertsatz verschmilzt die Möglichkeiten der Sonatenhauptsatzform mit den Reizen der Arienform. So steigert das ausgedehnte Orchesterritornell zu Beginn eines jeden der drei genannten Konzerte die gespannte Erwartung des Solisten, „inszeniert“ ihn gleichsam.
Drama in c-Moll
Eine Sonderstellung in Mozarts Werk kommt dem Klavierkonzert KV 491 zu, gemeinsam mit KV 466. Beide stehen – als Ausnahmen neben ihren 21 „Geschwistern“ – in einer Molltonart, ersteres in c-Moll. Diese Tonart spielt in der Musikgeschichte spätestens mit Beethoven eine besondere Rolle. Aber auch schon Mozart kann und will sich dem dramatisch-herben Charakter von c-Moll nicht entziehen. So ist bereits der ausgedehnte Kopfsatz beherrscht von einem überaus ernsten Gestus. Die pausendurchsetzte Fragmentierung des ersten Themas mitsamt den übermäßigen bzw. verminderten Intervallen sowie die chromatisch abwärts gerichteten Sequenzen runden sich zu keinem melodischen Bogen, sie wirken zerfasert, zersplittert. Was anfangs noch wie eine geheimnisvolle Einleitung von Streichern und Fagotten klingt, offenbart sein thematisches und emotionales Potential in dem mit dramatischer Wucht folgenden Orchestertutti. Zugleich zeigt sich, dass auch das Bassgerüst des Themas, eine chromatisch fallende Quarte, dem Charakter eines Lamentos zuneigt.
Kann das Klaviersolo ein Gegengewicht setzen? Es scheint zunächst so, doch dann wird es harmonisch und melodisch vom Fluss des Hauptthemas eingeholt, schließlich förmlich aufgesogen. Selbst das phantasievoll variierende Passagenspiel des Klaviers – es erinnert an die „Freyen Fantasien“ und Klavierkonzerte Carl Philipp Emanuel Bachs – folgt mit harmoniefremden und chromatischen Intervallen dem herben Geist des gewaltigen Kopfsatzes.
Die beiden folgenden Sätze dauern zusammen kürzer als das Eingangsallegro. Der später von fremder Hand mit „Larghetto“ überschriebene zweite Satz ist eine anmutige Romanze, deren bescheiden-schlichtes Thema im Wechselgesang zwischen dem feinen Holzbläsersatz und dem mit den Streichern vereinten Klavier erblüht. Das Finale verweigert sich dem üblichen, tänzerisch ausgelassenen Charakter eines Rondos. Sein Marschthema versucht, in mehreren Variationen die c-Moll-Umklammerung abzuschütteln. Doch der Durchbruch zum erlösenden Dur gelingt nicht.
Wolfgang Hildesheimer merkt dazu an: „Mozarts Moll-Werke sind ja so selten, dass uns ihr plötzliches Erscheinen aufhorchen und nach einem bestimmten Beweggrund fahnden lässt: Warum gerade hier? Wohlgemerkt: Wir suchen nicht nach dem Anlass, nicht nach einem äußeren Ereignis, sondern nach dem disponierenden Entscheid innerhalb der Sequenz seiner Werke. Selbstverständlich suchen wir vergeblich.“
Abstieg
Das am 24. März 1786 als letztes der fast zweijährigen Klavierkonzertserie vollendete Konzert in c-Moll KV 491 spielt Mozart erstmals am 7. April während seiner zugleich letzten Subskriptions-Akademie im Burgtheater. Nebenbei gedeiht der „Figaro“ – weit mehr als die späte Rache für den gräflichen Fußtritt in Salzburg –, Mozarts brisanter Paukenschlag mitten ins Gesicht des gesamten Adels. Die Uraufführung von „Le nozze di Figaro“ am 1. Mai im Burgtheater unter Mozarts Leitung findet kaum Zuspruch.
Schon bald wenden sich die Zuhörer von ihm ab. Sie fühlen sich von Werken wie den beiden Moll-Konzerten KV 466 und 491, den Mittelsätzen aus KV 482 und 488, den komplexen, Haydn zugeeigneten Streichquartetten („doch wohl zu stark gewürzt“), schließlich vom heiklen „Figaro“ brüskiert. Ende 1786 ist Mozart fünf Jahre in Wien ansässig, und „es war von hier an, dass der Virtuose Mozart an Boden verlor und als solcher bald in Vergessenheit geriet. ... allmählich muss sich seinem Bewusstsein mitgeteilt haben, dass er nicht mehr gebraucht werde...“ (Wolfgang Hildesheimer)
Ludwig van Beethoven
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 c-Moll op. 37
„Ich kann sagen, ich bringe mein Leben elend zu. Seit zwei Jahren fast meide ich alle Gesellschaften, weil’s mir nicht möglich ist, den Leuten zu sagen: Ich bin taub.“
Beethoven an Gerhard Wegeler, 29. Juni 1801
Das eigentlich Wunderbare an diesem Largo ist jedoch seine vollkommen entrückte Tonart. Auf das c-Moll des Kopfsatzes folgt E-Dur. Von drei „b“ springt die Tonart über sieben Stufen auf vier Kreuze! Eine solche Rückung kommt bei Beethoven erst im „verrückten“ Spätwerk nochmals vor.
Für das Finale, ein Paradoxon in sich, nämlich der einzige humorvolle Satz in c-Moll, den Beethoven je geschrieben hat, kehrt er in beherztem Sprung über eine verminderte Septime in die Ausgangstonart zurück. Und weil’s so schön war, wird aus dieser Septime gleich das initiale Intervall des ganzen Rondo-Hauptthemas. „Zugleich muss aber dieser rettende Intervallsprung den Blick wieder auf Mozarts d-Moll-Konzert lenken, wo er eine nicht wegzudenkende Rolle ebenfalls im Rondo spielt“ (Goldschmidt). Auch von Mozart übernommen ist der Kunstgriff der dramatischen Steigerung vor der Kadenz, die dem befreienden Kehraus in strahlendem Dur wirkungsvoll den Boden bereitet. Lasst uns aufeinander hören, miteinander reden, ruft der ertaubende Beethoven der Menge zu.
Rudolf Buchbinder
Rudolf Buchbinder zählt zu den legendären Interpreten unserer Zeit. Die Autorität einer mehr als 60 Jahre währenden Karriere verbindet sich in seinem Klavierspiel auf einzigartige Weise mit Esprit und Spontaneität. Seine Interpretationen werden für ihre intellektuelle Tiefe und musikalische Freiheit weltweit gefeiert.
Als Maßstäbe setzend gelten insbesondere seine Interpretationen der Werke Ludwig van Beethovens. 60 Mal führte er die 32 Klaviersonaten auf der ganzen Welt bisher zyklisch auf und entwickelte die Interpretationsgeschichte dieser Werke über Jahrzehnte weiter. Als erster Pianist spielte er bei den Salzburger Festspielen sämtliche Beethoven Sonaten innerhalb eines Festspiel-Sommers.
Anlässlich des 250. Geburtstags Ludwig van Beethovens gab der Wiener Musikverein in der Konzertsaison 2019/20 erstmals in seiner 150-jährigen Geschichte mit Rudolf Buchbinder einem einzelnen Pianisten die Ehre, alle fünf Klavierkonzerte Ludwig van Beethovens in einem eigens aufgelegten Zyklus aufzuführen. Buchbinders Partner in dieser beispiellosen Konstellation waren das Gewandhausorchester Leipzig unter Gewandhauskapellmeister Andris Nelsons, die Wiener Philharmoniker unter Riccardo Muti und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, die Münchner Philharmoniker und die Sächsische Staatskapelle Dresden unter ihren Chefdirigenten Mariss Jansons, Valery Gergiev und Christian Thielemann.
Größten Wert legt Buchbinder auf Quellenforschung. Seine private Notensammlung umfasst 39 komplette Ausgaben der Klaviersonaten Ludwig van Beethovens sowie ein umfangreiches Archiv von Erstdrucken, Originalausgaben und Kopien der eigenhändigen Klavierstimmen beider Klavierkonzerte von Johannes Brahms.
Seit Gründung des Grafenegg Festivals 2007 ist er dessen Künstlerischer Leiter. Grafenegg zählt heute zu den einflussreichsten Orchesterfestivals in Europa.
RSB-Abendbesetzung
Violine 1
Nebel, David
Herzog, Susanne
Yoshikawa, Kosuke
Bondas, Marina
Tast, Steffen
Morgunowa, Anna
Feltz, Anne
Yamada, Misa
Oleseyuk, Oleksandr
Kang, Jiho
Violine 2
Contini, Nadine
Drop, David
Seidel, Anne-Kathrin
Draganov, Brigitte
Eßmann, Martin
Buczkowski, Maciej
Manyak, Juliane
Färber, Juliane
Viola
Regueira-Caumel, Alejandro
Zolotova, Elizaveta
Drop, Jana
Montes, Carolina
Yoo, Hyelim
Burmeister, Daniel
Violoncello
Eschenburg, Hans-Jakob
Weiche, Volkmar
Albrecht, Peter
Weigle, Andreas
Kontrabass
Wömmel-Stützer, Hermann
Figueiredo, Pedro
Gazale, Nhassim
Flöte
Schaaff, Ulf-Dieter
Kronbügel, Annelie
Oboe
Esteban Barco, Mariano
Vogler, Gudrun
Klarinette
Kern, Michael
Pfeifer, Peter
Fagott
Kofler, Miriam
Gkesios, Thomas
Horn
Ember, Daniel
Stephan, Frank
Trompete
Linke, Sören
Niemand, Jörg
Pauke
Eschenburg, Jakob
Kooperation
Bild- und Videoquellen:
Portrait Rudolf Buchbinder © Marco Borggreve
Bilder Orchester und Probe © Peter Meisel