Der Arbeitstag von Christian Schwärsky beginnt zwei Stunden bevor um zehn Uhr die Probe losgeht. Während die Musikerinnen und Musiker zuhause noch frühstücken oder sich einspielen, richtet er mit seinen beiden Kollegen, den Orchesterwarten Bruno Schmidt und Ulrich Körle, die Bühne im Haus des Rundfunks ein.

Denn als Orchesterinspektor ist er mit seinem Team für die technische Abwicklung der Konzerte zuständig, sorgt also dafür, dass alle Instrumente und Stühle, Pulte und Noten am richtigen Platz sind – was in einem alten Haus wie dem Poelzig-Bau bedeutet, dass quasi alles per Hand und mit viel Körpereinsatz herangeschafft werden muss. Schwärsky: „In der ersten Stunde kommt man gut ins Schwitzen. Ab halb zehn geht es dann nur noch um besondere Wünsche von Musikern oder um das Wasser für den Dirigenten...“

Was genau wohin gehört, welche Sitzordnung geplant ist, wird selbstverständlich vorher mit dem Dirigenten oder der Dirigentin festgelegt.

Bei vielen Werken ist sie von vornherein klar, oder man kennt den Dirigenten und weiß um seine Vorlieben:

„Wenn unser Chef Vladimir Jurowski Mahler macht, dann weiß ich, wie er das will, da muss ich nicht mehr fragen.“ Zu klären ist vorab, wieviele Streicher überhaupt gebraucht werden und ob sie nach der amerikanischen oder der deutschen Aufstellung platziert werden.

„In der ersten Stunde kommt man gut ins Schwitzen.“ Die besondere Situation des RSB zwar als Dauergast, aber doch nur Gast im Haus des Rundfunks wirkt sich selbstverständlich auch auf die Arbeitsabläufe des Orchesterinspektors aus:

„In diesem Haus zu arbeiten, ist wunderbar – aber natürlich nicht ganz einfach. Wenn andere Veranstaltungen stattgefunden haben, dann fangen wir stets bei Null an, dann sind nicht mal Pulte oder Stühle auf der Bühne.“

Einen besonderen Aufwand erfordern die Aufführungen zeitgenössischer Musik, wie etwa beim Festival „Ultraschall Berlin“, das im Großen Sendesaal stattfindet. Da schaut Schwärsky möglichst frühzeitig genau in die Partitur an, des Öfteren hat er Glück: „Viele Komponisten machen sich selbst schon Gedanken und liefern eine Aufbauskizze in der Partitur mit.“ Wenn nicht, dann muss man halt in Absprache mit den Schlagzeugern die bestmögliche Lösung finden. Und steht ein Solokonzert für Schlagzeug an, wie sie in den vergangenen Jahren in großer Zahl komponiert wurden, dann reisen manche Solisten sogar mit eigenem Techniker an, um das Feintuning des gesamten Schlagwerk-Apparats vorzunehmen. 

Während im HdR geprobt wird, finden die meisten Berliner Konzerte im Konzerthaus am Gendarmenmarkt oder in der Philharmonie statt. Durch seine jahrzehntelange Arbeit – Schwärsky ist seit 1997 dabei – kennt er auch hier alle Kniffe, um trotz der Fallstricke den organisatorischen Alltag gut „über die Bühne“ zu bringen. Im Konzerthaus ist vor allem die Anlieferung schwierig. Im wunderschönen Schinkelschen Konzerthaus gibt es nur eine kleine Tür, durch welche das gesamte Equipment ins Haus gelangt, außerdem beschränkte Lagermöglichkeit für die Instrumentenkisten, die meist drei Lkws bis in die letzte Ecke füllen. Dagegen schafft die große und breite Bühne auch bei großen Besetzungen kaum Probleme. Hier erstellt Schwärsky im Vorfeld einen genauen Bühnenplan, um vor allem die genaue Platzierung von Sonderinstrumenten wie Harfe, Celesta oder Flügel festzulegen. 

Obwohl man gern in der Philharmonie arbeitet, ist auch hier  die Anlieferung nicht ganz einfach, es gibt keine Laderampen und nur einen kleinen Fahrstuhl. Hinter der Bühne muss man sich zu arrangieren wissen, hat doch Hans Scharoun genau dort die Orchesterkantine platziert. Sitzen dann die Berliner Philharmoniker selbst auf gepackten Kisten und ist womöglich noch ein anderes Gastorchester vor Ort, dann stapeln sich die „Cases“ rund um den Tresen und die Orchestermitglieder müssen ihr Pausengetränk im Stehen einnehmen. Üblicherweise findet in dem viel gebuchten Saal zwischen Generalprobe und Konzert noch eine andere Probe statt, seufzt Schwärsky. 

„Eigentlich müssen wir immer zweimal auf- und abbauen!“

„Es wird schon irgendwie gehen.“ Nach dieser Devise versucht der Orchesterinspektor, auch auf Tourneen die Ruhe zu bewahren. Denn unterwegs ist alles noch einmal anders: Jedes Konzerthaus hat sein besonderes Innenleben, und manche Säle kennt man noch nicht – aller präzisen Vorab-Recherche zum Trotz. „Da muss man schnell Lösungen finden“,  bringt Schwärsky die Herausforderungen auf den Punkt. „Zum Glück ist unser Chef bei Tourneen immer schon frühzeitig im Haus, so dass man alles Wichtige mit ihm absprechen kann.“ Immer wieder ein heikles Thema ist die „Fernmusik“, wie sie etwa in mehreren Mahler-Sinfonien verlangt wird. Hier muss vor Ort ausprobiert werden, wo sie hinter der Bühne platziert werden kann, so dass akustisch wie optisch ein verlässlicher Kontakt zum Dirigenten besteht.

Seit fast 27 Jahren arbeitet der studierte Chorsänger für das RSB, und in dieser langen Zeit hat sich einiges geändert: „Zum einen haben wir deutlich mehr Konzerte als früher, zum anderen sind völlig neue Formate hinzugekommen.“

Genannt seien nur die Kinderkonzerte oder die „Mensch, Musik! Konzerte“, die von ihrer Konzeption her ein neues Publikum ansprechen sollen. Hier wird vielfach auch szenisch gearbeitet; da gebe es dann zusätzlich Moderatoren und Schauspieler oder einen Puppenspieler – und dann vielleicht noch eine Leinwand, einen Beamer und anderes mehr. Auch hier stößt ein so ehrwürdiges Gebäude wie das HdR mangels technischer Ausstattung deutlich an seine Grenzen. Die letzte Stunde vor Konzertbeginn ist von Routine geprägt, jeder weiß, was er zu tun hat – wenn er es nicht schon erledigt hat. Wenigstens 15 Minuten vor dem ersten Einsatz versucht man, dem Dirigenten die Partitur zu entlocken, damit einer der Orchesterwarte sie möglichst dezent auf das Pult legen kann. In der Philharmonie gibt Schwärsky selbst das Signal für den Auftritt, während im Konzerthaus dafür der dortige Inspizient zuständig ist. Für das Orchester ist der „Aufmarsch“ Routine, weiß der Orchesterinspektor: „Wir haben eine sehr geordnete Art, alle bleiben stehen, bis der Konzertmeister kommt“ – dann wird gestimmt, bevor die Dirigentin oder der Dirigent das Podium betritt. Gibt es eine LiveÜbertragung, geschieht das alles natürlich in enger Abstimmung mit dem Radiomoderator. In der Pause werden noch einmal die Partituren getauscht, doch auch nach Konzertende ist noch lange nicht Schluss. Dann muss abgebaut werden – um pünktlich am nächsten Morgen, falls nötig, wieder im HdR für das nächste Konzert proben zu können.

„Da muss man dann auch mal zaubern können.“

Bilder

© Peter Meisel